UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

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Ausgabe 3. 2007, Juli bis September 2007

rhein & berg - DAS MAGAZIN

  

Den Himmel ins Haus geholt

Traditionell wie ein Fachwerkhaus mit Holzständerwerk errichtet, aber architektonisch modern anmutend durch große Fensterflächen und offene Bauweise. Löwenzahn und Waldmeister im verwunschenen Draußen, selbstgepflückte italienische Zitronen im lichten Innern. Monika Reusch hegt und pflegt in ihrem Haus in Gummersbach-Strombach die Gegensätze. Und sie verbindet sie mit Farben und Arrangements zu einem wohnlichen Ganzen. Das wirkt lebendig, weil es altern und sich entwickeln darf – wie die Kinder, wie der Garten und wie sie selbst.

Fast ist es nicht zu sehen. Das Haus, das früher neben Kirche und Friedhof in Strombach auf freier Fläche stand, ist in über zwei Jahrzehnten eingegrünt. Kaum vorstellbar, dass sich hier einmal der Skihang des Dorfs befand, sogar mit kleinem Schlepplift. Inzwischen sind auch die Nachbargrundstücke bebaut und die Bäume, die Familie Reusch pflanzte, hoch aufgeschossen. Ein Weg aus alten Pflastersteinen führt zum Eingang, Löwenzahn und Margeriten grüßen hinter dem Bauernzaun, eine Linde breitet ihre Äste nach Sitte alter Hofbäume vor der Türe aus. Ein Fachwerkhäuschen würde haargenau in diese Szenerie passen.

Stattdessen ragen Holz, Glas und spitze Giebel in den Himmel. 250 Quadratmeter Wohnfläche plus 40 Quadratmeter Einlieger-Ferienwohnung entfalten sich am Hang. Aber fast unsichtbar. Die Größe ist von außen kaum wahrnehmbar und eigentlich auch nicht nach dem Eintreten. Das Gebäude stapelt klein, und der Geruch nach frischen Waffeln, Kaffee und Leberwurst verstärkt den Eindruck, doch in einem bergischen Häuschen zu sein.

„Ich wollte eigentlich ein altes Haus haben, ein Fachwerkhaus. Mit altem Baumbestand. Das war so der Traum“, verrät Hausherrin Monika Reusch, während sie noch ein Pöttchen Erdbeerkompott auf den Tisch stellt. Der Traum rührte aus der naturnahen Kinderzeit in Bergneustadt. Ausbildung, Beruf und Ehe verschlugen sie jedoch zunächst nach Freiburg, dann in ein Kürtener Fertighaus. Erst 1984 wurde ihr Traum vom Fachwerk-Domizil wahr. Wenn auch anders als gedacht: mangels geeignetem Altbau entstand ein neues Haus auf dem 2000 Quadratmeter großen Areal in Strombach – mit traditionellem Holzständerwerk. Die Zwischenräume wurden mit Poroton-Steinen geschlossen, die Außenhaut mit Styropor gedämmt und Mineralputz überzogen. „Es ging mir um das ökologische Bauen, aber das war damals noch so schwierig“, erzählt die 55-Jährige. Die Leimbinder kamen aus Dänemark, das übrige Fichtenholz aus heimischen Wäldern. Die Baustelle wurde zum Wallfahrtsort. Es war damals ungewöhnlich, dass die hölzernen Decken im ganzen Haus sichtbar blieben und ihren Naturton behielten. Es war längst noch nicht Usus, Fensterrahmen außen nur zu lasieren. „Wir hatten hier Gutachter noch und noch.“

Für Aufsehen sorgte auch die Form der Fenster, die manchmal vom Boden bis zum First reichen und sich bisweilen in die Dachschräge fortsetzen, so als habe jemand ein Stück Himmelsblau angeklebt. „Es ging mir immer um den Himmel“, bekennt Monika Reusch. Sie hatte sich in ihren Ausbildungen zur Diplom-Ökotrophologin und zur Realschullehrerin viel mit natürlicher Lebensweise und den Theorien von Pädagoge Hugo Kükelhaus beschäftigt und dabei gelernt, dass richtig platzierte Fenster entscheidend zum Wohlbefinden beitragen. „Zweidrittel der Fensterfläche soll Himmel zeigen.“ Zudem sollte jeder Raum an mindestens zwei Seiten Fenster haben – zum effektiven Lüften und wegen des Lichteinfalls. Das Haus in Strombach und fast jedes seiner Zimmer beherzigt dies, wenngleich die Bäume inzwischen buchstäblich in den Himmel wachsen. Für Schatten sorgt an heißen Tagen vor allem der große Dachüberstand von rund 1,50 Metern. Gardinen gibt es nicht, lediglich einige Stoffrollos. Das Haus atmet Freiheit.

Innen entfaltet sich das Leben auf sieben Ebenen unter einer verwinkelten Dachlandschaft. Frei sind die Strukturen auch hier. Das offene, versetzte Treppenhaus verbindet die verschiedenen Bereiche wie eine Lebensader. Zimmertüren gibt es nur im Souterrain-Keller, wo sich Nähstube, Hauswirtschaftsraum und Gästezimmer befinden, und ganz oben unter den Dachschrägen, wo die beiden Kinderzimmer, ein Bad und das Schlafzimmer der Hausherrin liegen. Letzteres ist über Treppe und Durchbruch mit einem Arbeitszimmer verbunden, von dessen Fenstern sich der Garten überblicken lässt. Zwischen Keller und Dach liegen die türenlosen Wohnebenen. Gleich hinter dem Eingang geht die offene Diele zur Linken in den wintergartenähnlichen Essbereich über – mit angrenzender Küche. Sie kragt aus dem Baukörper etwas aus, weil Monika Reusch so früher vom Herd aus ihre Sprösslinge beim Schaukeln im Garten beobachten konnte. Zur Rechten geht es von der Diele in eine geräumige Fernseh-Sofa-Ecke und von ihr über ein paar Stufen hinab ins „Wohnzimmer“ mit Klavier, Kaminofen und Austritt zur Terrasse. Wer von der Diele die Treppe nicht hinab ins Souterrain steigt, sondern himmelwärts, gelangt zur „Schlafetage“ und passiert zuvor auf halber Höhe den früheren Spielraum der Kinder mit großen dreieckigen Fenstern in den Gauben.

Die offene Bauweise wird unterstrichen durch die einheitlichen Fichtenholz-Decken und den einheitlichen Teppichboden – unten aus Wolle-Ziegenhaar, oben aus Kokos. Doch trotz der weitläufig verbundenen Flächen schleicht sich kein Gefühl von Verlorenheit oder Kälte ein. Ecken, Winkel und freitragende Holzständer vermitteln stets das Gefühl, sich in einem überschaubaren Zimmer aufzuhalten. Monika Reusch intensiviert das durch ihre Gestaltung. Mit Farben, Materialien und Dekorationen grenzt sie ab oder verbindet. Sie betont Sichtachsen und erweckt bei Durchblicken bisweilen den Eindruck, nicht in einen anderen Raum, sondern auf ein Kunstwerk zu schauen. So wirkt der Sessel mit Fußbänkchen im Garten – durch den Rahmen der Terrassentür betrachtet – wie ein Gemälde von Magritte. Der blaue Lein im Küchentopf holt die Himmelsfarbe ins Zimmer und das Pink der Sitzkissen schlägt den farblichen Bogen zum Geschirr, auf dem die Waffeln rapide abnehmen.

„Das kommt aus mir heraus“, kommentiert die Gummersbacherin ihre Freude am Gestalten. Schon beim Studium zur Realschullehrerin in den Fächern Hauswirtschaft, Textilgestaltung und Biologie wählte sie „Wohnen“ als Schwerpunkt. „Das spiegelt sich jetzt sehr im Haus und in meinem Leben.“ Viele Extras bietet das Strombacher Zuhause, die 1984 beim Einzug teuer oder extravagant waren, deren Langlebig- und Zeitlosigkeit sich aber bewährte. Dazu gehören die Alu-Schienen, durch die die Fenster-Stoffrollos bis heute gleiten. Dazu gehören auch der Wäscheschacht vom Schlaf- zum Hauswirtschaftszimmer, die Glasfasertapetete, der Naturtextilboden, das Weiß der Bäder, die Strahlerlampen von Ingo Maurer, der wuchtige Kaminofen und die ausgefuchste Bose-Hifi-Anlage. Obwohl sie bescheiden und unsichtbar in einem Wandschrank steht, ist das Haus mit ihr komplett vernetzt. Ebenfalls praktisch: mit Schaltern bedienbare Steckdosen und Dimmer in fast allen Räumen.

„Lieber einmal was Vernünftiges“ ist die Devise der 55-Jährigen, deren italienische Designer-Sofas seit über 25 Jahren toll aussehen. Ex und hopp – davon hält sie nichts. „Ich will mit meinen Dingen leben und umgeben.“ Das nimmt sie oft in die eigene Hand: Aus Designer-Stoffen näht sie Sitzkissen, Küchenschürzen oder auch Objekte wie den großen Wandbehang im Treppenhaus. Sie dekoriert Clematis und Rosen über dem Esstisch oder arrangiert Stilleben im Garten, um sie wie ein Bild genießen zu können. „Die Materialien und das Licht gestalten neben den Raumstrukturen das Haus“, sagt sie. „Deshalb brauche ich nur wenig Möbelstücke.“ Einer der wenigen Schränke, ein Erbstück aus Kirschholz, steht am Esstisch – genauso wie früher bei den Großeltern. Das Stehpult im Wohnzimmer hat sie vorm Müll gerettet.

Dass die Räume trotzdem nicht nackt wirken, sondern belebt und voller Farben, das liegt am dekorativen Beiwerk, dessen Geschichten die 55-Jährige liebt: Die Häkeldecke erzählt von der Schulzeit und die Zitronen vom Garten des alten Häuschen im italienischen Ligurien, wo sie gern Feriengäste bewirtet. Fotos erinnern an Feste, deren Dekorationen sie kreiert, oder an Kochkurse, die sie in ihrem Zuhause veranstaltet. Wohnen, leben und arbeiten – für Monika Reusch gehört alles zusammen. „Jetzt ist es langsam so, wie ich es will“, sagt sie und blickt zufrieden in die vielen Grüntöne ihres Gartens, der sich leicht verwildert wie ein verwunschener Gürtel ums Haus legt.

Layout-Ansicht des Artikels in der auslese rhein&berg
Text & Fotos: Ute Glaser

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