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Journalistin

 

Dienstag, 6. Juni 2006
    

   

UNSERE STADT: Teures Blut

Von Ute Glaser

Ich höre oft Horrorstorys von Patienten, die über stundenlanges Ausharren in Wartezimmern klagen, und Ärzten, die nicht wissen, wie sie den Ansturm bewältigen sollen. Ein Kürtener Allgemeinmediziner zählte kürzlich an einem Montag 250 Kranke.

Das System treibt die Ärzte derzeit auf die Straßen und manche Blüten. Dieser Fall klingt unglaublich: Ein 77-Jähriger hat Schmerzen in den Beinen, die Hausärztin findet die Ursache nicht, überweist ihn zum Neurologen.

Der benötigt für die Diagnose spezielle Blutwerte und schickt, weil er Blut nicht abnehmen darf, den Senior zurück zur Ärztin. Diese verweigert jedoch den Aderlass, weil der Wunsch des Kollegen in ihren Augen unsinnig sei. (Oder vielleicht weil ihr Budget erschöpft ist?) Der zweibeinige Spielball der Ärzte pilgert unverrichteter Dinge erneut zum Neurologen, der den Mann ins Krankenhaus einweist, weil er für eine zuverlässige Diagnose auf die Blutwerte nicht verzichten kann.

Dort wird - es ist ein Donnerstag - allerlei Papierkram erledigt, freitags das Blut abgezapft, montags das Ergebnis geliefert. Vier teure Tage Krankenhaus zwecks simpler Blutabnahme. Eine Lüge? Nein, denn der 77-Jährige ist nicht Till Eulenspiegel, sondern mein Vater.

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