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Journalistin

 

Samstag, 7. Februar 2004
    

 

Hartmut Last ist Spezialist für historische Uhren

Von Ute Glaser

Es ist paradox: Die Zeit scheint still zu stehen für den, der bei Big Ben eintritt, obwohl zig Uhren an den Wänden deutlich zeigen, wie Minute für Minute verrinnt. Doch die Tür, die hinter dem Rücken der Besucher ins Schloss fällt, sperrt die hektische und oft laute Wirklichkeit aus.

Es bleibt das gleichmäßige Ticken vieler wunderschöner antiker Uhren, die Ruhe und den Geist vergangener Zeiten verströmen. Irgendwo dazwischen taucht dann das Gesicht von Hartmut Last auf. Er ist weniger Chef, mehr Liebhaber, fast ein Vater all der Schätzchen, die er um sich versammelt hat.

Die paar Quadratmeter in der Grünen Ladenstraße in Bergisch Gladbach haben fast Museumscharakter. Alle Uhren gehen - und alle auf ihre Weise. Von der Taschenuhr bis zur Standuhr tickt jedes Stück anders. Dazwischen schlägt manches Modell zur halben und vollen Stunde, sogar ein Kuckuck mischt sich dazwischen.

Das Auge sieht nur Originale, 100 bis 250 Jahre sind sie alt. Sie stammen aus allen Epochen, aber nicht nur aus Deutschland, sondern zudem aus Frankreich, Österreich und England. Englische Tischuhren, Wiener Gewichtsregulatoren und französische Pendulen füllen Wände und Regale.

Schmuckstück aus Wermelskirchen Auch Schmuckstücke aus der Region sind dabei, der "bergische Kopf" zum Beispiel oder die fantastische Arbeit des Johann Wilhelm Wüsthoff aus Wermelskirchen. Die Standuhr aus Kirchholz, die Wüsthoff 1793 fertigte, ist heute das wertvollste Stück bei Big Ben.

Der Laden ist ein Unikat weit und breit. Das liegt nicht nur an dem hochwertigen und umfassenden Sortiment, sondern auch an der sachkundigen Beratung und der Möglichkeit, hier antike Uhrwerke und Gehäuse aufarbeiten oder reparieren zu lassen. Hartmut Last, der vor einem knappen Jahr Big Ben eröffnete, ist ein Allrounder in Sachen Antikuhren.

Und das als Autodidakt. Denn eigentlich ist der 46-jährige Gladbacher Maschinenbaumeister. 23 Jahre arbeitete er bei Siemens. Als die Firma ihm wegen der wirtschaftlichen Entwicklung einen Auflösungsvertrag schmackhaft machte, hatte er es in einem Punkt besser als mancher Kollege: Er hatte ein Hobby, und das machte er zum Beruf.

Liebe auf den ersten Blick Den Sprung in die Selbstständigkeit hätte Hartmut Last sich vor 22 Jahren nicht träumen lassen, als er erstmals mit antiken Uhren in Berührung kam. Damals bat ihn sein Vorgesetzter, der sein feinmotorisches Geschick erkannte, ein Stück aus seiner Uhrensammlung zu reparieren. "Es war Liebe auf den ersten Blick", erinnert sich Last an die Begegnung mit den wertvollen Chronometern.

Vor allem die Wiener Gewichtsregulatoren gefielen ihm. "Diese Uhren sind wahnsinnig schön." Die handwerkliche Kunst faszinierte ihn. "Das berauschte mich als Techniker regelrecht." Und so begann er als 24-Jähriger, zu einer Zeit als Quartz-Uhren modern wurden, nach antiken Zeitmessern Ausschau zu halten. Er startete, aus Geldmangel, mit einem Uhrwerk, für das er das Gehäuse nachbaute.

Später reparierte, restaurierte und verkaufte er alte Stücke und steckte alle Erlöse in neue alte Schätzchen. Und lernte bei jeder Uhr dazu. Inzwischen besitzt der Familienvater von zwei Töchtern etwa 140 antike Uhren. Die meisten hat er bei Big Ben ausgestellt. "Alles Originale." Und bei Armbanduhren ist für ihn Ehrensache: "Nur rein mechanisch - kein Quarz."

Manchmal nur Millimeter Seinen Traum vom Wiener Gewichtsregulator hat er sich sechsfach erfüllt. Und statt am Wohnzimmertisch oder im Keller zu arbeiten, kann er nun in der Werkstatt seines Ladens wirken. Mit Pinzetten, feinen Schraubendrehern und Zangen hantiert er; Wattestäbchen dienen zum Polieren, alte Käsedosen zum Sortieren, und mit kleinen Reibahlen setzt der Uhren-Spezialist neue Lager - manchmal nur einen Millimeter klein.

Weiße Baumwoll-Laborhandschuhe sorgen dafür, dass die guten Stücke frei von Fingerabdrücken bleiben. "Aber das wichtigste Werkzeug ist die Liebe zu der Uhr sowie auch der feste Wille, das Problem zu meistern", sagt Last, der bisweilen stundenlang darüber brütet, wie ein alter Zeitmesser wieder gehen kann.

"Durchhalten" sei eine wichtige Devise, gepaart mit dem Spaß an der Sache. Zufrieden ist der Uhren-Freund erst dann, wenn das alte Teil so aufgearbeitet ist, dass Laien es glatt für neu halten könnten. Sortiment und Service haben inzwischen so viele Freunde gefunden, dass Helmut Last am heutigen Samstag ein paar Meter weiter in einem größeren Ladenlokal neu eröffnet - mit ausgedehnteren Öffnungszeiten.

Allerdings kann auch dann ab und zu das Schild "geschlossen" an der Türe hängen. Dann hat der Uhren-Kenner seinen Einkaufs- und Kontakttag, bei dem er im Schnitt 500 Kilometer fährt, um sein Sortiment zu erweitern. Es gewinnt durch die ausführlichen Beschriftungen fast musealen Charakter.

Dienstags ist "Aufziehtag" Dass jede Uhr zu jeder Zeit geht, ist selbstverständlich, allerdings zeitaufwändig: Fast drei Stunden dauert es, bis der Chef alle seine Lieblinge aus Bronze, Mahagoni, Palisander, Kirsche und vergoldeten Materialien aufgezogen hat. Jeden Dienstag.

Wieso er ihrem Zuhause den Namen Big Ben gegeben hat? Last schmunzelt und erzählt, dass er vor 21 Jahren in London ein kleines Uhrengeschäft gesehen habe. "So ein Geschäft hätte ich auch mal gern", habe er damals gedacht und es stets als Vision in seinem Herzen mit sich getragen. "Es hieß Big Ben."

Öffnungszeiten: "Big Ben", Am alten Pastorat 23 in Bergisch Gladbach, montags bis freitags 10 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr ( 0 22 02 / 1 89 56 81).

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