Heft 1/2007 Januar - März 2007
"Es
ist produktiv, Praktiker zu fragen": Interview mit IBOA-Initiator und
igus-Geschäftsführer Frank Blase, Köln/Bergisch Gladbach
igus
GmbH - in Stichworten
Maßschuhe,
Reparaturen und Online-Versand: Schuhmacherei Stuhlmüller, Bergisch Gladbach
Bensbergs
Brücke nach Mali - das ehrenamtliche Engagement des Schuhmachers
Bezaubernde
Bonsai: Ralf Schneider ist Spezialist für kleine und große Bäume, Odenthal
„Es
ist produktiv, Praktiker zu fragen“
Bergisch Gladbacher
Firmenchef gründete Expertengremium IBOA an der FH Köln
Deutsche Hochschulabsolventen
sind teure Arbeitskräfte. Was macht Akademiker aus Germany trotzdem attraktiv?
Zum Beispiel eine besonders marktgerechte Ausbildung. Dafür bedarf es eines
intensiven Austauschs zwischen Hochschule und Wirtschaft – einer Ausbildung im
Fadenkreuz von Theorie und Praxis. Frei von Pflichten und Zwängen. Dass dies möglich
ist, beweist das International Board of Advisors (IBOA) an der Fachhochschule Köln.
Gegründet wurde es vor zwei Jahren auf Initiative des Bergisch Gladbachers und
derzeitigen IBOA-Vorsitzenden Frank Blase, geschäftsführender Gesellschafter
der igus GmbH in Köln-Porz. Mit ihm sprach Ute Glaser.
IBOA – Was ist das?
Frank Blase: Ein Expertengremium. Gegründet
wurde es im September 2004 von der Fakultät für Fahrzeugsysteme und Produktion
der Fachhochschule Köln. Die Abkürzung steht für International Board of
Advisors. Die Mitglieder sind Führungskräfte aus Unternehmen und
Organisationen. Die Hochschule lädt sie zweimal jährlich einen halben Tag zum
Austausch ein. Dann präsentiert sie, was sie vorhat: den Bachelor oder
Master-Studiengang beispielsweise. Das Board wird gehört, man diskutiert. Auch
Studierende nehmen daran teil.
Was ist das Ziel?
Blase: Die Aufgabe ist es, einen
deutschen Ingenieur besser zu qualifizieren als sechs gleich teure chinesische.
Das IBOA kann der Hochschule aufzeigen, was der Markt verlangt oder wohin er
sich entwickelt. Sie kann das in der Lehre berücksichtigen.
Ein Beispiel, bitte.
Blase: Im neuen Master-Studiengang Automotive Engineering der FH wird der
Anteil an englischsprachigem Unterricht bei 50 Prozent liegen, damit wir Firmen
die Absolventen direkt im internationalen Geschäft einsetzen können. Englisch
war in diesem Umfang anfangs von der Hochschule nicht geplant.
Sie haben IBOA an der FH Köln
initiiert. Warum?
Blase: Ich habe von 1978 bis 1981 an der Texas Christian University (TCU) im
Rahmen eines Programms der damaligen Carl-Duisberg-Gesellschaft studiert und
dort meinen betriebswirtschaftlichen MBA-Abschluss gemacht. An der TCU gibt es
seit etwa 20 Jahren ein Board aus Wirtschaftsexperten. Als ich zurück nach
Deutschland ging, um zunächst bei verschiedenen Firmen zu arbeiten und später
in die igus GmbH meiner Eltern einzusteigen, riss der Kontakt zur TCU nicht ab.
1999 fragte mich der Dekan, ob ich in seinem Board Mitglied werden möchte.
„Du bist ein erfolgreicher Mensch, wir hätten dich gern dabei, um uns zu
helfen, die richtige und heute angemessene Ausbildung anzubieten.“ Ich war
damals 38 und empfand das so, als bekäme ich einen roten Teppich ausgerollt.
Der Effekt?
Blase: Ich habe kennengelernt, wie
produktiv es ist, wenn die Hochschule Praktiker nach ihrer Meinung fragt. Und
zwar ohne das mit Spenden oder anderen Hilfsleistungen zu verknüpfen. Der
Nebeneffekt ist, dass man selbst mit anderen erfolgreichen Leuten zusammenkommt
und in den Pausen interessante Gespräche führt. Ich war einer der jüngsten im
Board und für mich war der Haupteffekt, von sehr erfahrenen Managern zu lernen.
Darunter der Vize-Präsident von Pepsi-Cola, der Chef einer großen
Elektronik-Kette, Bankdirektoren und der C&O einer Flugzeugfabrik.
Wurden Sie eines Tages beim
Rektor der FH Köln vorstellig, weil Sie Vergleichbares in Deutschland
vermissten?
Blase: Ja, ich wollte herausfinden, ob
solch ein Board eine Idee für die Fachhochschule wäre. Am 1. April 2003 bekam
ich einen Gesprächstermin bei Rektor Prof. Dr. Joachim Metzner und präsentierte
ihm, wie das bei der TCU abläuft. Resultat war: So etwas haben wir in der Form
nicht, hätten wir gerne, aber wir glauben nicht, dass so etwas hier
funktioniert. Es gab etliche Argumente dagegen, ein wesentliches war, dass sich
Leute aus der Industrie die Zeit wohl kaum nehmen ohne unmittelbaren Nutzen. Wir
einigten uns damals, trotzdem einen Versuch zu starten – mit dem
aufgeschlossenen damaligen Dekan Professor Dr. Klaus Becker von der Fakultät für
Fahrzeugsysteme und Produktion.
War der Anfang schwierig?
Blase: Was die Wirtschaftsvertreter
angeht nicht. Im Grunde hat jeder zugesagt – zur Überraschung aller. Wir
hatten auf Anhieb ein Board von zwölf Personen, heute umfasst es knapp zwanzig.
Darunter sind hochrangige Manager von Ford, VW, Daimler Chrysler, außerdem
Unternehmer und Geschäftsführer von namhaften Zulieferern. Einige kommen wie
igus aus dem Rechtsrheinischen: Carcoustics
International GmbH aus Leverkusen, Tower Automotive aus Bergisch Gladbach und
ISE Innomotive Systems Europe GmbH aus Bergneustadt.
Zwei
Jahre IBOA: Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Blase:
Das Board ist begeistert, wie offen die Dinge von der Hochschule gelegt werden
und dass praktische Anregungen der Industrie nicht nur gehört, sondern auch
umgesetzt werden. Die Sicht der Fachhochschule ist ähnlich positiv. Sie freut
sich, dass wir kommen, sachlich und uneitel Beiträge liefern. So entstehen auch
andere tolle Dinge: Der Motorsportclub der Studenten wird gesponsert,
Praktikantenstellen geschaffen. Aber das ist eine Folge des guten Klimas, kein
Zwang und keine Erwartung in der Zusammenarbeit. Soviel guter Wille auf beiden
Seiten – das ist phantastisch. Und dass dann noch der Erfolg da ist, wie das
Beispiel des englischsprachigen Unterrichts zeigt, ist das Entscheidende.
Worauf richtet das Board
derzeit sein Augenmerk?
Blase: Ein nächstes Projekt ist, das
Gedankengut der „Lean Production“, also der schlanken Produktionssysteme, so
im Curriculum zu verankern, dass die Absolventen der Produktionstechnik absolut
vertraut und geübt sind in den Methoden, die Toyota zu dem mit Abstand
erfolgreichsten Autohersteller der Welt machen. Auch das Kostenbewusstsein ist
wichtig. Dinge sollten mit Blick auf die Kosten entwickelt werden. Gut und günstig
ist ein Wunsch von uns.
Wünschen Sie sich auch,
dass IBOA andernorts Schule macht?
Blase: Natürlich. Das Herzblut kommt von
der Hochschule. Sie muss die Arme öffnen. Wenn sie das ehrlich und offen macht,
wird sie sich wundern und freuen, was zurückkommt.
An der FH Köln hat Ihre
Initiative bereits neue Früchte getragen.
Blase: Ja, das ist wunderbar. Seit Sommer 2005 existiert ein zweites Board
an der Fakultät für Informations-, Medien- und Elektrotechnik, ein drittes
wurde im November 2006 an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften gegründet.
igus
GmbH
Die igus GmbH entstand 1964, gegründet
von Günter Blase in einer Doppelgarage in Köln-Mülheim. 1970 zog die Firma
nach Bergisch Gladbach, 1994 in einen Neubau nach Köln-Porz. Die Söhne Frank
(47) und Carsten Blase (44) haben seit 1983 die Expansion des Unternehmens, das
auf schwierige technische Kunststoffprodukte – darunter Gleitlager und
E-Ketten-Systeme – spezialisiert ist, vorangetrieben. Derzeit hat es 26
Niederlassungen, 50 Stützpunkte in 20 Ländern und weltweit etwa 1350
Mitarbeiter. igus entwickelt jährlich 1500 bis 2500 neue Produkte und hat über
80 000 stets lieferbar an Lager.
Schuhmacherei Stuhlmüller
„Sind die noch zu
retten?“ Die Kundin holt zögernd zwei ausgetretene Damenschuhe aus der
Plastiktüte. Ein kritischer Blick von Bernd Stuhlmüller taxiert die
„Patienten“, dann füllt er ein grünes Abholzettelchen aus, heftet die eine
Hälfte ans Fersenleder und reicht die andere der Dame. Neue Sohlen – in drei
Tagen ist das Leiden auskuriert. Ein klassischer Fall für einen
Schuhmachermeister wie ihn. Zum Metier des Handwerkers, der in der Bensberger
Schloßstraße sein Geschäft hat, gehören jedoch auch andere Bereiche: Maßschuhe,
Schlüssel und Gravuren sowie Internet-Service inklusive des wohl größten
Online-Schnürsenkelversands Deutschlands. Zudem transferiert der vielfältig
ehrenamtlich aktive Bensberger sein Know-How im Rahmen Deutscher
Entwicklungshilfe inzwischen sogar nach Afrika.
„Ich habe mich schon mit 13
Jahren entschieden, Schuhmacher zu werden“, erzählt Bernd Stuhlmüller. Mit
Fußkleidern ist er groß geworden, denn sein Vater übte den Beruf ebenfalls
aus – zunächst in Remscheid, dann ab 1976 in Bensberg in der Schloßstraße
18. „Das hat mich geprägt.“ Der Junge mochte den Umgang mit Leder und
Maschinen. Er ging nach dem Hauptschulabschluss 1977 beim Vater in die Lehre.
Zielstrebig und mit Leidenschaft kniete er sich in den Beruf und absolvierte mit
nur 21 Jahren die Meisterprüfung. Kurz zuvor hatte er die Firma vom Vater übernommen,
weshalb er am 1. Januar 2007 als 44-Jähriger bereits auf 25 Jahre Selbstständigkeit
zurückblicken kann.
„Der
Schuhmacher als solches hat sich verändert zu einem Dienstleister in Form eines
Allrounders“, erzählt Bernd Stuhlmüller, während er an der Maschine eine
Einlegesohle in Form schleift. „Unser Marktvorteil ist, dass wir eine große
Bandbreite haben und flexibel reagieren können.“ Sein Vater würde sich die
Augen reiben, könnte er sehen, wie sich die Firma immer wieder neu am Markt
ausgerichtet hat. Sie war eine reine Reparatur-Schuhmacherei, als er sie an den
Sohn übergab. Bald kamen Schlüsseldienst und Gravuren hinzu. Als Bernd Stuhlmüller
erwog, nicht nur Einlagen, sondern auch Maßschuhe selbst anzufertigen, erklärte
der Vater kategorisch: „Junge, du bist verrückt!“ Er erlebte nicht mehr
mit, dass die Idee des Juniors Früchte trug und dieser Bereich von 1989 bis
2002 florierte. Danach ging die Maßschuh-Anfertigung stetig zurück, wohl weil
das Geld bei den Menscher knapper ist und solch ein passgenau angefertigtes Paar
ab 400 Euro aufwärts kostet. „Es wird eher Geld für eine teure Krawatte
ausgegeben, als sich mit einem Schuh etwas Gutes zu erlauben“, beobachtet
Bernd Stuhlmüller. „Oft hat jemand 10 bis 15 Paare im Schrank, aber getragen
werden meistens zwei bis drei. An den anderen ist irgend etwas, was nicht gefällt:
Farbe oder Passform. Diese Schuhe sind fehlinvestiert.“ Dabei seien die Füße
– zumal oft unterschiedlich groß – überaus dankbar für maßgerechte
Behandlung. „Einen angefertigten Schuh zieht man morgens an und abends aus und
dabei hat man nicht das Gefühl, den Schuh loswerden zu müssen.“ Das Design
richte sich nach den Wünschen des Kunden. Von Slipper, Tanz- oder Golfschuh über
Pumps und Stiefelette bis hin zu Westernstiefel und Wanderschuh sei alles möglich.
Wie lange solch ein Schuh hält? Zehn bis zwanzig Jahre „bei täglichem Tragen
und vernünftiger Pflege und Instandhaltung“, verspricht der Mann, der
professionell für den richtigen Tritt sorgt.
Die
Redensart „Schuster bleib bei deinen Leisten“ hat für Bernd Stuhlmüller
nie gegolten, immer war er innovativ und passte sein Geschäft dem Markt an. So
erschloss er sich auch die Möglichkeiten des Internets: Seit 2000 betreibt er
einen Online-Versand, der inzwischen als Deutschlands größter für Schnürsenkel
gilt. In Länge, Farbe, Breite und Beschaffenheit hat der Bensberger fast alles
sorgsam in kleinen Boxen sortiert, was es zum Fädeln und Schnüren gibt. Rund
1400 Produkte, etwa dreimal soviel wie herkömmliche Schnürsenkel-Versender im
Repertoire haben. „Das läuft sehr gut, ein ständig wachsender Markt“,
skizziert der Schuhmacher diesen Arbeitsbereich, der ihn schon früh morgens an
den PC ruft. Ein Blick in die Mails zeigt: Schuhcreme nach Hamburg oder Spanner
und Spikes in die Schweiz sind Alltäglichkeiten. Auch Reparatur-Leistungen
bahnen sich zunehmend online an: Die hellen Treter im Regal schickte eine Frau
von der anderen Rheinseite, damit der Bensberger sie dunkler färbe.
„Der
Schwerpunkt ist nach wie vor die Reparatur“, sagt Bernd Stuhlmüller. Doch in
den 25 Jahren seiner Selbstständigkeit sei sie von über 90 auf etwa 60 Prozent
gesunken. „Der Markt hat sich verändert.“ Die Qualität der Schuhe auch.
„Sie hat sich massiv verschlechtert.“ Das Gros komme aus Asien, wo es „oft
zu menschenunwürdigen Verhältnissen produziert“ und hier erstaunlich günstig
angeboten werde. Oft würden Kunststoffteile eingearbeitet. „Viele Schuhe sind
gar nicht mehr recycelfähig“, stellt der Handwerksmeister fest, der meistens
Schuhe aus eigener Werkstatt trägt.
Der
44-Jährige hat sein Geschäft Schritt für Schritt ausgebaut. Seit 1986
betreibt er eine Filiale in der Bergisch Gladbacher Hauptstraße, die sein
Bruder – ebenfalls gelernter Schuhmacher – leitet. Die Bensberger Werkstatt
zog 1998 ein Haus weiter ins Untergeschoss des Schlossforums, um auf gut 90
Quadratmetern den Kundenbedürfnissen noch besser begegnen zu können. Hier kümmert
sich der Chef jedoch nicht nur um Leder, Gummi, Kork und Filz, sondern auch um
die Innung und den Nachwuchs. Über 20 junge Leute hat er seit 1985 ausgebildet
und so will er es auch weiter halten, wenngleich er den Frust vieler Ausbilder
über Schuldefizite, Umgangs und Einstellung der Auszubildenden verstehen kann.
In der Innung der Raumausstatter und Bekleidungshandwerke hört er davon viel,
da er seit 20 Jahren ihr Obermeister ist, zudem sitzt er im Vorstand. Genauso
lange gehört er zum Meisterprüfungsausschuss der Handwerkskammer Düsseldorf.
In der Handwerkskammer zu Köln engagiert er sich im Vorstand, außerdem
arbeitet er seit März 2006 beim Projekt Dienstleistungsexport des Deutschen
Wirtschaftsministeriums mit, das internationalen Kenntnis-Transfer im Handwerk fördert.
Kein
Wunder, dass etliche Bernd Stuhlmüller gerne vorne sehen würden, wenn jetzt im
Januar der neue Kreishandwerksmeister gewählt wird. Würde er’s machen? Der
Schuhmacher nickt schmunzelnd und streicht dann noch etwas Leim auf eine Sohle.
Spaß hätte er daran, aber Arbeit hat er auch so genug. Zumal er seit 2004 als
Lederspezialist in offizieller Mission in Afrika unterwegs ist: Für die
Deutsche Entwicklungshilfe schult er Handwerker in Mali (siehe Kasten). Erste
Ergebnisse sind in seinem Schaufenster ausgestellt – Sandalen, Geldgürtel,
Taschen. „Das ist spannender als alles andere.“
Ute Glaser
Kontakt
Schuhmacherei Bernd Stuhlmüller
Schloßstraße 20 (Untergeschoss)
51429 Bergisch Gladbach-Bensberg
Fon und Fax: (0 22 04) 18 52
E-Mail:
info@schnuersenkelversand.de
www.schnuersenkelversand.de
Öffnungszeiten: montags bis freitags
9 bis 18 Uhr, mittwochs und samstags 9 bis 13 Uhr
Mali! Als Bernd Stuhlmüller sich 2004 darauf
einließ, als Lederspezialist der Handwerkskammer zu Köln im Auftrag der
Deutschen Entwicklungshilfe in das afrikanische Land zu reisen, hatte er nur
eine vage Vorstellung davon, was ihn erwarten würde. Der Bensberger
Schuhmachermeister war als Vorstandsmitglied der Handwerkskammer gefragt worden,
ob er vor Ort die Situation der lederverarbeitenden Berufe des Landes verbessern
wolle. „Ich kannte den Kontinent Afrika gar nicht. Ich fand das spannend“,
begründet der 44-Jährige, warum er sich auf das Abenteuer einließ. Sechs
Wochen später besuchte er Mali zum ersten Mal. Inzwischen ist er dreimal
dorthin geflogen und froh, dass er die Aufgabe übernommen hat, auch wenn es für
diese arbeitsintensive Entwicklungshilfe nur eine Aufwandsentschädigung gibt.
Zuerst
sah sich der Bensberger das Land an, ließ sich zeigen, wie dort traditionell
Leder produziert und verarbeitet wird. Im häuslichen wie im gewerblichen
Bereich. In der Stadt informierte sich Bernd Stuhlmüller genauso wie zwischen
Tuaregs in der Wüste. Dort würden Tiere immer noch gekauft, um Leder selbst
herzustellen und dies meist „mit dem erbärmlichsten Werkzeug“, erzählt er.
Im Wüstenort Gao sei das Fleisch vom Fell geschabt worden mittels eines geschärften
Metallteils, das früher zu einem Ölfass gehört hatte.
„Schuhe
machen – das können die“, stellte der Bensberger unterm Strich fest.
„Aber es fehlt ihnen an Handwerkszeug, Materialien, Maschinen, Organisationen
und Verbänden.“ Ihm blieb es überlassen, welche konkreten Formen die
deutsche Entwicklungshilfe annehmen sollte. Und er ist froh, dass sich die Idee,
die er hatte, erfolgreich umsetzen ließ: ein Dienstleistungszentrum für
lederverarbeitende Handwerker in Malis Hauptstadt Bamako. Er schaffte es, dass Räume
in einem größeren Handwerk-Gebäudekomplex gemietet und mit Strom, Nähmaschinen,
Schleifmaschinen und anderen Geräten ausgerüstet wurden. Handwerker aus der
Lederverarbeitung können Räume und Einrichtung nun gegen kleines Entgelt
nutzen. Seit einem Jahr existiert das Dienstleistungszentrum. „Es wird richtig
angenommen. Es wird sogar Geld erwirtschaftet“, freut sich Bernd Stuhlmüller.
Die Überschüsse kommen der Handwerkskammer Bamako und ihren Aufgaben zu Gute.
Der
Schuhmacher hatte nicht nur die Idee und für ihre Umsetzung gesorgt, sondern er
organisierte aus Deutschland auch die notwendigen Maschinen und schulte
Afrikaner darin, wie sie bedient und instandgehalten werden. Außerdem führte
er Fortbildungen durch, um das Erscheinungsbild der Waren zu verbessern –
beispielsweise durch genaueres Arbeiten. Zweimal kamen Delegationen aus Mali
sogar zu Schulungen in seine Bensberger Schuhmacherei. Den Lerneffekt
demonstriert der Fachmann an zwei Sandalenpaaren, die er zusammen mit Taschen
und Gürteln mitgebracht hat: Die Sohlenkanten sind eindeutig glatter geworden.
Die
Deutsche Entwicklungshilfe hat das ursprünglich auf drei Jahre befristete
Projekt bis 2009 verlängert. Derzeit leitet Bernd Stuhlmüller seine
afrikanischen Kollegen dazu an, sich unter einem gemeinsamen Dach im Internet zu
präsentieren. „Es ist eine reizvolle Aufgabe, sich mit anderen Menschen
auseinanderzusetzen.“ Zudem mit einem positiven Nebeneffekt: „Ich lerne fleißig
Französisch dabei.“
Ute Glaser
Ralf Schneider ist
Spezialist für kleine und große Bäume
Wer hätte gedacht, dass ein
Stück Asien im Bergischen liegt? Auf dem Gelände der Bonsai-Schule-Schneider
in Odenthal-Scheuren gedeihen Azaleen, Ahorn und Chinawacholder, lächeln dickbäuchige
Mönche und metallene Buddhas, raschelt Bambus und plätschert Wasser zwischen
dicken Steinen. Chef Ralf Schneider hat sich mit seiner fernöstlich geprägten
Baumschule vor allem auf eins spezialisiert: auf Bonsai. Er züchtet sie aus
Samen und Stecklingen oder formt sie durch versierte Schnitttechnik aus alten
Gehölzen. Sogar eine fünf Meter hohe Ulme ließ sich von ihm anstandslos in
einen Miniatur-Baum verwandeln, um fortan prächtig in einer Keramikschale zu
gedeihen.
Der Löwenkopfahorn ist 45
Jahre alt und gerade mal 70 Zentimeter hoch, die japanische Schwarzkiefer bringt
es mit 35 Jahren auf 55 Zentimeter. Und in einer Schale, kaum größer als ein
Din-A4-Blatt, fühlt sich ein ganzes Lärchenwäldchen wohl. Acht Bäumchen hat
Ralf Schneider hier angeordnet, die im Herbst genauso wie die großen
Artgenossen ihre Nadeln abgeworfen haben. Nebenan wachsen Miniaturwälder aus
Pinien und Zypressen.
Jede
Pflanze, die verholzt, kann der Experte zum Bonsai machen. Auf seinem 6000
Quadratmeter großen Areal in Odenthal-Scheuren führt er über 150 Sorten,
darunter allein 50 Sorten Ahorn. Ob Ölbaum, Camelie, Azalee, Eibe, Eiche oder
Rosmarin: Dem 56-Jährigen gelingt es, sie alle ins Kleinformat zu verwandeln.
Sogar die Bougainvilla, die unter der Decke des Gewächshauses rankt, hat im
Topf ihre Mini-Entsprechung gefunden.
„Die
Bonsai sind auf Langlebigkeit geplant“, erklärt Ralf Schneider. Das sei für
Pflanzenfreunde heutiger Zeit oft ungewohnt. „Wer lässt schon seine Azalee
oder sein Alpenveilchen überwintern? Kaufen, blühen, wegschmeißen“ – das
sei die Mentalität des Durchschnittsbürgers. Wer sich mit Bonsai befasse,
denke dagegen in ganz anderen Zeiträumen. „Die können ein paar hundert Jahre
alt werden.“ Vorausgesetzt die Pflege stimmt. „Schnitt, Dünger und Topf –
das sind die drei Kriterien, damit die Pflanze klein bleibt.“ Zudem fördere
richtiges Gießen das Gedeihen. „Wichtig ist: gleichmäßig feucht halten. Da
werden die meisten Fehler gemacht.“ Nasse Füße sind tödlich für die
Schalengewächse. „Damit ist Wurzelfäule vorprogrammiert.“ Auch zu hartes
Wasser kann den Spaß am Bonsai verkürzen, weil es die Haarwurzeln verengt.
Der
regelmäßige Schnitt sei unkompliziert und leicht zu lernen, nimmt Ralf
Schneider Laien die Angst vor dem Bonsai-Einstieg. Für die Chinesen, die einst
die Mini-Pflanzen erfanden, und die Japaner, die sie vor rund 1000 Jahren
entdeckten und seither in ihrer Meditationsecke neben dem obligatorischen
Rollbild kultivieren, ist der Schnitt freilich eine Sache, die viele Facetten
hat. Und entsprechend viele Werkzeuge. „Der Japaner hat bald für jeden Ast
eine andere Zange“, erklärt der Scheurener Bonsai-Mann. Er kommt mit weniger
aus und bietet die Geräte auch zum Kauf an: darunter doppelt geschliffene
Scheren, die nicht quetschen, Konkav-Zangen, Drahtzangen und Jin-Zangen. Hinzu
kommen spezielle Erden und Dünger sowie Hormonmittel, die den Aufbau unterstützen.
Wer
sich in Scheuren aus den zwergenhaften Schätzen etwas aussucht, findet dort
auch später immer wieder sachkundige Hilfe. So bietet die
Bonsai-Schule-Schneider einen Urlaubsservice, der fachgerechtes Schneiden und
Gießen während Ferienzeiten garantiert. Entweder bringen Eigentümer ihre
Bonsai ins Gewächshaus oder ein Mitarbeiter betreut die Kostbarkeiten vor Ort,
so zum Beispiel eine 30 Pflanzen umfassende Sammlung in Bonn. Zudem können
Bonsai zum Umtopfen, Gestalten, Schneiden oder Überwintern abgegeben werden.
Und es gibt in der Baumschule eine Krankenstation, wo Kränkelndes aufgepäppelt
wird. „Der Bonsai kommt hier richtig an den Tropf“, erklärt der Chef, der
dann Fläschchen mit Hormonpräparaten in die Erde steckt, bis der Patient
geheilt entlassen wird. Ein Aufwand, der nicht nur aus sentimentalen Gründen
lohnt, sondern auch aus finanziellen: Ein Bonsai kostet üblicherweise eine
dreistellige Summe, ein großes alter Solitär durchaus 6000 Euro.
Ralf
Schneider ist Pflanzenfreund durch und durch. „Ich hatte immer schon Lust an
der Baumschule, am Pflanzen vermehren“, erzählt der gebürtige Leverkusener.
Nach der Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer hängte er in Essen das
Studium zum Diplom-Gartenarchitekten an, doch er merkte schnell, dass er nicht für
die Arbeit im Büro geschaffen war. „Ich muss immer Kontakt zum Kunden
haben.“ Und zu Pflanzen. So machte er sich 1971 in Scheuren mit der Baumschule
selbstständig, die damals das umfassende Repertoire bot: von der Rose über
Obstbäume bis hin zu Blumenzwiebel und Stauden. Außerdem führte sie Dünger,
Schädlingsbekämpfungsmittel und anderes, was heute Gartencenter feilbieten.
Von Bonsai hatte Ralf Schneider keine Ahnung bis zu dem Tag, an dem ihn ein
Lieferant überredete, dieses Neuland zu betreten. Mit knapp 20 Sorten stieg er
1979 in diesen Bereich ein.
Learning
bei Doing hieß die Devise. Im Prinzip sei der Bonsai- ein Baumschulschnitt,
meint der 56-Jährige. „Da kommt nur das Harmoniegefühl dazu. Die Schale muss
zum Baum passen, der Baum zur Schale.“ Das Geschäft florierte, andererseits
schossen Gartencenter aus dem Boden und billige Online-Dienste. So entschied der
Odenthaler, künftig ganz auf die asiatische Schiene zu setzen und änderte 1985
den Namen von „Baumschule Schneider“ in „Bonsai-Schule-Schneider“. Für
Forsythe, Weigelie & Co. hieß es Tschüss. Stattdessen begann er Bonsai
selbst zu züchten, gab seinen ersten Bonsai-Katalog heraus und startete mit
einem Versandhandel. Seit 2001 gibt es Schneider-Bonsai auch übers Internet: im
Shop auf der eigenen Website sowie bei ebay-Versteigerungen. Meist hat er 250
Pflanzen im Netz – vom Babypflänzchen bis zum Drei-Meter-Ahorn. Seine Ware
gedeiht inzwischen von Schweden bis Griechenland europaweit.
Die
Scheurener Baumschule bietet jedoch noch mehr als Bonsai mit Werkzeug, Zubehör
und Service. Hier gibt es im „normalen“ Baumschulbereich auch üblichere große
Gehölze: Bambus, Ahorn, Kletterpflanzen, Azaleen, Rhododendren und rund 50
Sorten Hibiskus, darunter Eigenzüchtungen eines Mitarbeiters sowie der seltene
Fragilis-Hibiskus von Mauritius. „Sie haben Glück, der blüht sogar“, schwärmt
der Pflanzenzüchter mit Blick auf die rote Blüte. Stolz ist er auf den Raritäten-Bereich
seiner Baumschule, der rund 120 Kostbarkeiten zählt. Zu ihnen gehören die
Geschlitzblättrige Feige, zwölf Eichensorten, der Erdbeerbaum und der
Puderquastenstrauch. Wer nicht weiß, wie er solche Pflanzen in seinen Garten
integrieren soll, findet in Scheuren ebenfalls Hilfe: Ralf Schneider plant,
gestaltet und verändert Gärten und Garten-Bereiche, asiatische Nischen und
Teegärten.
80
Prozent der großen Baumschulpflanzen sowie fast alle Bonsai züchtet der
Odenthaler inzwischen selbst. Was als Samenkorn oder Steckling unter seinen Händen
begonnen hat zu wachsen, kommt später aufs Feld, wo Gingkos und Ahorn in Reih
und Glied stehen, Steineichen wachsen und Blauglockenbäume faszinieren. Von den
Teepflanzen ging im Frühjahr ein ganzer Schwung nach Teneriffa zu einer
Teeplantage. Vom Feld über den Container führt der Weg bei Bonsais zu guter
Letzt in die Schale. Mehrere Jahre vergehen bis dahin, viel Handarbeit ist nötig.
Mit Maschinen lässt sich in diesem Beruf nichts regeln. Sogar das Gießen muss
per Hand erledigt werden, weil jede Pflanze eine andere Wassermenge benötigt.
In heißen Sommern ist Ralf Schneider damit durchaus sechs Stunden täglich
beschäftigt.
Werden
die Pflanzen über drei Meter groß und damit für den Versand zu sperrig, hat
Ralf Schneider eine einfache Lösung: Er macht durch seine Schnittkunst einen
Bonsai daraus. Für den gilt dann dasselbe wie für alle übrigen Miniaturen:
Wer einen Bonsai ins Freiland setzt, erlebt, wie er sich zur ursprünglich großen
Pflanze (zurück-)entwickelt.
Ute Glaser
Kontakt
Bonsai-Schule-Schneider
Wirtsspezard 14
51519 Odenthal-Scheuren
Fon: (0 22 07) 24 27
Fax: (0 22 07) 46 30
E-Mai:
infobon@bonsai-schule-schneider.de
www.bonsai-schule-schneider.de
Öffnungszeiten:
dienstags bis freitags 14 bis 18 Uhr, samstags 10 bis 14 Uhr, auch nach
Vereinbarung
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