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Journalistin

 

28. März 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Story: Pfarrer besucht Waisenhaus in Südafrika   
Infos: Sondersammlung der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach
   

"Wunder für die Waisen"

Wohin fließt das Geld, das in den Bankreihen-Kollekten evangelischer Kirchen noch bis Ostern gesammelt wird? Thomas Werner war vor Ort - und ergriffen.

Bergisch Gladbach - Kleine dunkelhäutige Gestalten mit großen Augen umlagerten die Autos der Weißen. Und kaum hatte Thomas Werner die Tür geöffnet, krabbelte solch ein kleiner Wicht flugs auf seinen Schoß. „Der nimmt mich doch tatsächlich in den Arm und gibt mir einen dicken Kuss auf die Wange." Der Pfarrer aus Bergisch Gladbach besuchte er im Rahmen einer privaten Studienreise erstmals das „Golden Girls“, ein Heim für Straßen- und Waisenkinder in Langa, dem ältesten Township von Kapstadt, heute bitterarmes Slum-Gebiet. Und mittendrin stehen drei Häuschen, in denen 13 engagierte Menschen gegen das Elend kämpfen.

„Ich habe erst mal einen Schreck gekriegt“, gesteht Werner. „Das Waisenhaus - das waren im Grunde drei Baracken.“ Zwar war Ricarda Appel, Vize-Vorsitzende des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach schon im Dezember vor Ort gewesen, aber so arg hatte er es sich nicht vorgestellt. Er zieht das Bild eines blau getünchten Holzgebäudes hervor. „Da drin ist ein einziger großer Spiel- und Schlafraum.“ In dem weißen Häuschen daneben seien eine kleine Küche („auf niedrigstem Niveau“) und eine Art Bastelraum untergebracht. Ein Blechcontainer beherberge das Büro. „Alles in allem sind das vielleicht 150 Quadratmeter.“ Wie viele Kinder dort leben? „Als wir da waren, hatten sie gerade 62.“ Und die drängten sich um die Ankömmlinge, zu denen neben Werner auch seine drei Mitreisenden gehörten: Pfarrer Reinhold Wawra aus Uchtelfangen im Saarland, Arzt Dr. Hans-Georg Hauck aus Schöllkrippen im Spessart und Pfarrer- Schwester Annette Werner, MTA in Essen.

„Es war ein friedliches Chaos“, erzählt Werner. Ihr Mitbringsel war goldrichtig: „Wir hatten 15 große Plastiktüten voller Süßigkeiten gekauft." Für die Kinder, die allesamt unterernährt sind, ein Himmelsgeschenk. Denn obwohl das 1994 gegründete „Golden Girls“ inzwischen als kommunale Einrichtung kleine Zuschüsse erhält, reicht das Geld derzeit nur für eine Mahlzeit am Tag.

Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach hat die aktuelle Sondersammlung, die am 4. Advent begann und Ostern enden wird, dem Kapstädter Waisenhaus zugedacht. Damit folgte es erstmals einem Vorschlag des Pfarrbezirks Gnadenkirche. Hintergrund waren persönliche Kontakte. Thomas Werner ist seit seiner Essener Pfarrerzeit mit Armin Pflanz befreundet, damals Modefotograf in der Ruhrmetropole, heute Kunstfotograf in Kapstadt. Er legte Werner das „Golden Girls“ ans Herz und sitzt jetzt in einer Kommission, die über die Verwendung der Spendengelder aus Bergisch Gladbach wacht. „Für diese Einrichtung ist die Sondersammlung ein kaum nachvollziehbarer Segen, um nicht zu sagen ein Wunder“, sagt Werner. Bis jetzt sind rund 13 000 Euro in die Klingelbeutel gewandert, 1700 Euro sind davon bereits auf das Sonderkonto in Kapstadt transferiert. Lebensmittel und Kleidung wurden dafür angeschafft. Das hat auch in Zukunft höchste Priorität. Zudem soll das Geld aus dem Bergischen helfen, funktionstüchtige gebrauchte Rollstühle anzuschaffen und die Sanitäranlagen zu sanieren. Außerdem soll die blaue Baracke in zwei Räume unterteilt werden, damit pädagogische Arbeit eher möglich wird.

 Die Kinder im „Golden Girls“ haben meist weder Geburtsurkunden noch andere Papiere, was den Schulbesuch erschwert. Etwa 60 Prozent sind behindert, fast alle haben Aids. „Ich war froh, dass wir einen Arzt dabei hatten“, gesteht Werner. Entsetzt war er über die Schicksale der Kinder. Er erinnert sich an ein Mädchen im Rollstuhl. „Der eigene Vater hatte ihm den Schädel eingeschlagen.“ Dann die zahllosen Fälle von Kindes- und Säuglingsmissbrauch. „Man macht sich keinen Begriff davon. Alles was wir dort tun, ist ein Zeichen der Hoffnung.“
   

Infos zur Sondersammlung
An der Sondersammlung beteiligen sich alle sieben Pfarrbezirke der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach. Ihr kommen die Bankreihen-Kollekten sämtlicher Gottesdienste zu Gute, die vom 4. Advent bis Ostern stattfinden. Das "Golden Girls" wurde von Leiterin Doreen Nabe gegründet. Bei einem Besuch ihrer Tante in Johannesburg fand sie ein weinendes Kind in einer Blechhütte. Sie nahm es nach Kapstadt mit - der Beginn ihrer Arbeit. 1994 entstand das "Golden Girls" im Township Langa. Ovwohl das "Golden Girls" eine kommunale Einrichtung ist, erhält es so wenig Geld, dass die Kinder unterernährt sind und derzeit nur eine karge Mahlzeit am Tag bekommen können.
Im vergangenen Jahr waren die Empfänger der Sondersammlung Christen in Palästina. Sie erhielten 14 960,75 Euro.
Infos: www.gnadenkirche-gl.de 

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