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Montag, 20. April 2009

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Die Neugierde für Religion wecken

Rainer Lemaire aus Bergisch Gladbach gehört zum Autoren-Trio des neuen evangelischen Religions-Grundschulbuchs „Oikoumene“ in zwei Teilen. Für das Werk haben die Macher Glaubensfragen aus Sicht der Schüler behandelt.
Zum Buch und zur Person

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Es heißt, dieses Buch sei in NRW seit etwa zehn Jahren das erste neue evangelische Religionsbuch für die Grundschule.

RAINER LEMAIRE: Soweit ich weiß, gibt es noch eine Neubearbeitung eines anderen Buchs. Die Arbeit an den Lehrplänen fing 2003 an, daraufhin haben wir die Konzeption zu unserem Buch begonnen. Wir haben es sehr an den Lehrplan NRW angelehnt, so kann man sechs der sieben Kapitel direkt dem Lehrplan zuordnen. Natürlich haben wir auch die Lehrpläne anderer Bundesländer hinzugezogen.

Wir?

LEMAIRE: Wir sind als Autoren zu dritt und alle hauptberuflich anderswo eingespannt: Gunther vom Stein bildet als Fachleiter in Solingen Lehramtsanwärter für das Fach Evangelische Religion aus, Jessica Wilhelmi ist in Köln stellvertretende Schulleiterin der Anne Frank Schule und ich war während der Entstehungszeit noch Grundschullehrer in Leichlingen. Es sollte viel praktische Erfahrung in die Bücher einfließen.

Mussten Sie bei Null anfangen?

LEMAIRE: Nicht ganz. Es waren in den 90er Jahren vier Bände „Religionsbuch Oikoumene“ im Patmos Verlag herausgekommen. Titel und Leitidee sollten bleiben, ansonsten hatten wir alle Freiheiten. Tatsächlich haben wir nur wenig aus den Vorgängern übernommen. Unser größtes Problem war der Platz: Da der neue Lehrplan Klasse eins und zwei sowie Klasse drei und vier thematisch zusammenfasst, sollte sich das in nur zwei Bänden widerspiegeln - statt bisher vier. Das bedeutete rund ein Drittel weniger Seiten. Eine Herausforderung, zumal wir viel Wert auf Bilder legten. Ein Chagall-Bild auf eine ganze Seite zu setzen, das ist verschwenderisch. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, weil die Bilder nicht „bebildern“, sondern neue Aspekte einbringen und neue Entdeckungen ermöglichen.

Was gibt es Neues im Buch?

LEMAIRE: Wir haben den Gedanken von der Ökumene neu umgesetzt. „Oikoumene“ kommt aus dem Griechischen und meint den gesamten Erdkreis. Bisher war darunter aber nur die Gemeinschaft der Christen verstanden worden, also beispielsweise von Protestanten und Katholiken. In unserem Buch ist dieser Begriff erweitert. Wir verstehen darunter die Gemeinschaft der Menschen weltweit, vor allem die der drei großen Religionen, die sich auf Abraham beziehen - also Christen, Juden und Muslime. So lernen Schüler und Schülerinnen nicht nur ihre eigene Religion kennen, sondern auch benachbarte. Im Judentum haben wir Christen schließlich unsere Wurzeln. Das zu lernen, ist schon in der Grundschule wichtig.

Deshalb gibt es Lena, Chana und Murat?

LEMAIRE: Ja, diese drei Kinder führen durch das Buch und stehen für die drei Religionen. Sie erzählen, sie stellen Fragen und sie unterhalten sich, unter anderem über den Löwenbrunnen in Köln, der an die Judenverfolgung erinnert. Das ist etwas Neues. Wir wollten, dass sich mit diesen drei Kindern der Gedanke der Oikoumene durch das Buch zieht und dass zugleich die kindliche Perspektive in den Vordergrund rückt.

Die Sicht der Kinder rückt auch sonst in den Blick durch Fragen wie „Wann warst du einmal besonders traurig?“ oder „Zachäus im Baum - was könnte er denken?“

LEMAIRE: Der neue Lehrplan verlangt, viel stärker vom Kind aus zu denken und von den Fragen, die Schüler und Schülerinnen haben. Die Frage nach Gott wird aus ihrer Sicht gestellt. Wir wollen sie auf ihrem Erfahrungs- und Lernweg begleiten und weiterbringen. Deshalb schließen sich an die Themen oft Arbeitsimpulse an, zum Beispiel „Dichte einen eigenen Psalm“. Zum Kunstdruck von der Blindenheilung heißt es „Stellt das Bild in einem Standbild nach. Was fühlen die Personen?“ Das Buch ist stärker als bisher für die Hand der Kinder gedacht, um ihre Neugierde am Fach Religion und für religiöse Fragen zu wecken.

Es ist ein evangelisches Religionsbuch, trotzdem taucht das Wort „evangelisch“ erst im zweiten Band auf.

LEMAIRE: Im ersten Band wird Lena nur als Christin vorgestellt, weil die Unterscheidung zwischen evangelisch und katholisch für Kinder der Klassen eins und zwei gar nicht plausibel ist. Die wissen meistens nicht, dass es zwei Bekenntnisse gibt, und auch nicht, zu welchem sie gehören.

Könnte also auch ein katholischer Lehrer mit diesem Buch arbeiten?

LEMAIRE: Es wäre denkbar, aber es ist für den katholischen Unterricht nicht zugelassen.

Gibt es zum Schulbuch Lesungen?

LEMAIRE: In abgewandelter Form mit Workshop-Charakter. Dafür reisen wir drei Autoren gemeinsam durch NRW, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass Lehrer es sehr schätzen, wenn sie die Leitlinie erklärt bekommen. Nach den Sommerferien werden auch Folien und Lehrer-Kommentar erscheinen. Später folgt noch eine CD mit Liedern aus den beiden Bänden. Es wäre eine wunderbare Sache, wenn wir dann hören, wie mit dem Buch gearbeitet wird, was gelingt und wo es hakt.

Sie möchten als Schulreferent den Draht zur Schulpraxis behalten und unterrichten deshalb weiterhin eine Lerngruppe an Ihrer früheren Leichlinger Grundschule. Nutzen Sie da Ihr eigenes Religionsbuch?

LEMAIRE: Das schon, aber die Kinder kennen die Hauptdarsteller und das lenkt etwas ab: Für die Fotos sind drei Viertklässler von mir in die Rollen von Lena, Chana und Murat geschlüpft. Sie fanden es super, als sie sich im Buch sahen. Das sorgt bis heute für Gesprächsstoff.

Das Gespräch führte Ute Glaser

   

Zum Buch und zur Person
In NRW ist seit den Sommerferien ein neuer Lehrplan in Kraft, unter anderem für das Fach Evangelische Religion an Grundschulen.
Das erste Schulbuch, das auf ihn Bezug nimmt und vom Schulministerium anerkannt ist, heißt „Oikoumene“. Es ist in zwei Bänden für die Klassen eins/zwei und drei/vier erschienen und fokussiert den interreligiösen Aspekt.

Zu den Autoren gehört Rainer Lemaire (39) aus Bergisch Gladbach-Refrath, der 2008 vom Grundschuldienst zum Evangelischen Kirchenverband Köln und Region als Schulreferent wechselte.

Rainer Lemaire, Jessica Wilhelmi, Gunther vom Stein: „Religionsbuch Oikoumene 1/2“, Patmos Verlag, 128 Seiten, ISBN 978-3-491-73432-6, 14,95 Euro.
Von den Autoren ist bei Patmos zudem der Band „Oikoumene 3/4“ erschienen: 152 Seiten, ISBN 978-3-491-73433-3, 14,95 Euro. (ugl)

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