UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

23. April 2004

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Kronprinz in der Schlossküche

Perfekte Gaumenkunst auf dem Teller. Nils Henkel als Küchenchef neben Dieter Müller. Nachfolge-Sicherung nach französischem Vorbild: Lerbachs Drei-Sterne-Koch besetzte einen neuen Posten.

Bergisch Gladbach - „Tisch neun, sehr eilig!“ Nils Henkel hat in der Küche des Restaurants von Dieter Müller alles im Blick. Er checkt die Bestellungen, hat ein Auge auf die Koordination zwischen Töpfen und Tellern, reibt zwischendurch ein bisschen Trüffel und dekoriert die Speisen, bevor der Service sie zu den Gästen trägt. Seit 1997 steht der 34-Jährige in der Lerbacher Schlossküche am Herd. Vom zweiten Sous-Chef hatte er sich schnell zum Sous-Chef „hochgekocht“, seit Januar führt er nun sogar den Titel „Küchenchef“. Wie sein Chef Dieter Müller. Nils Henkel strahlt: „Ich bin glücklich.“ Mit der Position des zweiten Küchenchefs hat Drei-Sterne-Koch Müller, der als Patron, Geschäftsführer und Küchenchef weiter die Linie des Feinschmeckertempels bestimmt, in Deutschland Neuland beschritten. In Frankreich, erzählt er, sei es durchaus üblich, dass der Patron eines Restaurants einen zweiten Küchenchef neben sich hat. Warum er diesem Vorbild folgt? Müller, der 30 Jahre in der Gastronomie ist und an Auszeichnungen alles abgeräumt hat, was es gibt, will die Zukunft sichern. Mit 55 Jahren denkt er über den Fortbestand seines Gourmet-Mekkas nach. Keiner weiß so gut wie er, dass erstklassige Köche nicht vom Himmel fallen. Deshalb schätzt er das Talent und den Charakter von Nils Henkel. Er möchte ihm eine Perspektive bieten und ihn halten.

Nils Henkel blickt über das Team und die gut zwei Dutzend Töpfe und Pfannen auf dem Herd. Die Aussicht, „das hier vielleicht mal zu übernehmen“, sei für ihn ein ungeheurer Ansporn. Seine Eltern hatten mit Kochen nichts zu tun. Seine Mutter arbeitete als Sekretärin, sein Vater als Allgemeinmediziner. Doch ihr Sohn wollte in die Küche und absolvierte nach der Realschule die Ausbildung zum Koch im „Voss Haus“, Romantik-Hotel und Restaurant in Eutin. Ab 1990 arbeitete er dann in Hamburg, Coesfeld und Senden - zuletzt immer als Sous-Chef. In dieser Zeit wurde er als Lammkoch 1990 in München ausgezeichnet sowie mit Silbermedaille und Publikumspreis der Kochkunstschau der Internorga in Hamburg bedacht. Aber das Schlosshotel Lerbach war das, was ihn eigentlich reizte. Mit Dieter Müller zusammenzuarbeiten, war sein Traum. „Zweimal habe ich mich beworben, bis es geklappt hat.“ Das war 1997. Qualität und Arbeitsklima hielten, was Henkel sich davon versprochen hatte. Neben dem Elf-Stunden-Tag bildete er sich weiter, absolvierte den Küchenmeisterlehrgang mit Auszeichnung und lernte in Frankreich Neues über Käse, Schokolade und Desserts.

„Er ist ein ausgezeichneter Koch“, lobt Dieter Müller, der zudem noch etwas anderes an seinem zweiten Küchenchef schätzt: die PC-Kenntnis. „Der macht da vieles, was ich noch mit der Hand mache.“ Bedeutet der zweite Küchenchef, dass Müller dem Herd den Rücken kehrt? „Das könnte ich nicht und das will ich auch nicht“, antwortet der Spitzenkoch. Jedenfalls nicht jetzt, da die Fußball-WM 2006 vor der Tür steht und die Nationalmannschaft sich vermutlich auf Lerbacher Kissen bettet. „Da werde ich für die Funktionäre kochen.“ Das Aufhören komme erst „irgendwann“, und sicher niemals komplett.

Denn Müller freut sich darauf, mit mehr Muße wieder einmal als Repräsentant der deutschen Küche herumreisen zu können. „Dann werde ich mich auch um den Nachwuchs bemühen.“ Vielleicht eine Kochschule gründen. Wo? Natürlich am Schloss. „Ich möchte mit Lerbach verbunden bleiben“ In der Küche steht dann möglicherweise Nils Henkel. Die Perspektive hat er. Wie Müller kocht er im Kopf, jedenfalls „in erster Linie“. Und wenn es um die Harmonie auf dem Teller geht, sind sich beide fast immer einig.

Trotzdem hat der 34-jährige Single, der in Bensberg wohnt, an sich den Anspruch, „sich immer weiter nach vorne zu bewegen und vielleicht noch einen Tick besser zu werden“. Dafür hält er sich mit Marathon-Laufen fit. Ansonsten hört er gern Musik und liest. Was? Am liebsten Kochbücher!

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