UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

27. März 2002

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Bei Auszug gibt es Bargeld

Seit Sommer 1999 wohnt Familie Lunga in den Gronauer Weißenberger Häusern. Seit Mitte 2000 fühlt sie sich belästigt. Als die Hausverwaltung ihr den Auszug „mit einem Geldbetrag honorieren“ wollte, erstatteten die Schwarzafrikaner Anzeige.

Bergisch Gladbach - „Das ist wirklich eine nette Familie“, sagt Andrea Bauschert. Sie arbeitet als Gemeindehelferin im evangelischen Gemeindezentrum Gronau und begegnet den Lungas häufig, wenn sie ihre jüngste Tochter Jolie (3) in die dortige Kindertagesstätte bringen. Eines Tages hatte Vater Ubanga Lunga (33) jedoch nicht nur Jolie, sondern auch einen Brief seiner Hausverwaltung dabei. „Können Sie mir helfen?“ bat er die Gemeindehelferin. Das war Ende 2001.

Und seither setzt sich Andrea Bauschert für die fünfköpfige Familie ein, die aus dem Kongo stammt und sich seit anderthalb Jahren zunehmend von der Hausverwaltung unter Druck gesetzt fühlt. Sie half Ubanga Lunga und seiner Frau Veka Wumba (33), Strafanzeige wegen Nötigung gegen die Kölner Aßhoff Haus- und Grundstücksverwaltungen GmbH zu stellen, die die Gronauer Häuser verwaltet.

Warum die evangelischen Schwarzafrikaner die Gemeindehelferin um Unterstützung baten? Anlass war ein Schreiben der Firma Aßhoff, das Bernisse (11), die älteste der drei Lunga-Töchter, beschuldigt, „eine weiße, klebrige Flüssigkeit“ an einer Wand im Aufzug „hinterlassen“ zu haben. Das hätten „Nachforschungen“ ergeben, formulierte Heinz Aßhoff als Geschäftsführer. Zum Beweis legte er ein Foto bei, das die Videoüberwachungsanlage am 13. November 2001 um 7.14 Uhr gefertigt hatte und das de facto das Mädchen nur beim Verlassen des Fahrstuhls zeigt.

Aßhoff schrieb, er werde wegen „Mehrkosten für die Reinigung“ direkt 50 Mark vom Mietzinskonto der Lungas einziehen. Das fanden Lungas ungerecht, und deshalb kamen sie zu Andrea Bauschert. Denn Bernisse habe gar nichts gemacht, das Foto zeige sie nur auf dem Weg zur Schule. Bernisse habe das auch der Firma Aßhoff am Telefon erklärt, aber die habe an der Strafe festgehalten.

Ersatzweise habe Aßhoff der Elfjährigen angeboten, mit dem Hausmeister Papier und Dreck rund um den Gebäudekomplex aufzusammeln. Heinz Aßhoff bestätigt das gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ja, wir wollten Gelegenheit geben, was zu tun. Es kommt ja nicht auf die 50 Mark an.“ Aber Vater Lunga lehnte das Arbeitsangebot nicht nur ab, weil seine Tochter unschuldig sei, sondern weil seine Arbeitskollegen bei Meleghy auch erklärt hätten, das sei Kinderarbeit und verboten.

Andrea Bauschert half den Lungas, Widerspruch gegen die Zahlung einzulegen. Postwendend kam die Antwort von Aßhoff: Die Erhebung von Ordnungsgeldern sei in der Hausordnung vereinbart. Und im übrigen: „Sind Sie bereit, den Mietvertrag aufzulösen und auszuziehen?“ Die Eigentümerin der Drei-Zimmer-Wohnung würde dies „mit einem Geldbetrag honorieren, über dessen Höhe verhandelt werden müsste“.

Andrea Bauschert war entsetzt: „Dahinter steht ganz klar: Der soll weg. Das ist ein ganz klarer Fall von Nötigung.“ Sie handelte: Über das Gemeindezentrum Gronau wurde der gesamte Schriftverkehr an die Polizei Bergisch Gladbach weitergeleitet und Strafantrag gegen die Firma Aßhoff wegen des Verdachts der Nötigung gestellt. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren ein, das nun bei der Staatsanwaltschaft Köln anhängig ist. Dort wurde der Teil, der Aufzugverschmutzung und Geld-Einziehung betrifft, inzwischen eingestellt, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Regine Appenrodt. „Das sind rein zivilrechtliche Fragen.“ Der Teil, der die Nötigung umfasst, wird weiter geprüft.

Heinz Aßhoff streitet gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ab, dass die Familie vergrault werden soll: „Die Eigentümerin will die Wohnung verkaufen.“ Und sie wisse, dass sie sie mitsamt Mietern kaum los werde. „Ich fand das unverschämt“, sagt Bauschert.

Sie weiß, dass Lungas auch in anderer Hinsicht schon übel mitgespielt wurde: Alles begann im Sommer 2000, als die kleine Jolie Papas Schlüsselbund über den Balkon warf. Es dauerte Monate, bis Lunga ihn beim Hausmeister abholen konnte. Und dann waren statt der fünf nur noch zwei Schlüssel dran. „Bis heute habe ich keine neuen Schlüssel“, erzählt Ubanga Lunga. Das bedeutet im Klartext, dass die fünfköpfige Familie mit einem einzigen Haustürschlüssel auskommen muss und Bernisse nach der Schule bisweilen solange vor dem Haus steht, bis jemand die Türe öffnet.

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