UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

22. Oktober 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Story: Julia zielte am besten - 17-jährige Sportschützin ist neue Deutsche Meisterin    
Infos: Freiwilliger Friedensdienst   
  

Julia zielte am besten

Bild: Ute Glaser
Mit ruhiger Hand zum Titel: Die 17-jährige Julia Palm siegte bei den Deutschen Meisterschaften in München.
Julia Palm hat ein seltenes Hobby für einen Teenager: Sie schießt. Und das so gut, dass sie jetzt auf dem Siegertreppchen ganz oben stand und - fast nebenbei - einen Rekord egalisierte.

Bergisch Gladbach - Julia Palm hat nichts vom Klischee einer Draufgängerin mit Waffe. Die 17-Jährige wirkt eher scheu und geht mit ihrem Anschütz-Kleinkaliber-Gewehr wie mit einem rohen Ei um. Mit ihm hat sie sich den Titel der Deutschen Meisterin im Kleinkaliber Liegendkampf der weiblichen Juniorenklasse B geholt durch ein Top-Ergebnis: 593 von 600 Ringen. Das sei nicht nur ihre persönliche Bestleistung, freut sich Vater Willi Palm, der mit seiner Frau Gudrun vor Ort in München-Hochbrück die Daumen drückte. „Sie hat den Deutschen Rekord damit egalisiert - in dieser Altersklasse.“

Mit dem Sieg über die gut 50 Konkurrentinnen hatte Julia wirklich nicht gerechnet, als sie mit der Startnummer 611 für den Liegendkampf in Position ging. „Das ist die Disziplin, die ich am wenigsten gerne mache“, verrät sie. „Sie ist unbequem, tut weh - an der Hand und an den Ellenbogen. Die Hand schläft ein.“ Zudem war Julia enttäuscht, weil sie zuvor in zwei anderen Kategorien gestartet war und gerade in ihrer Lieblingsdisziplin „Kleinkaliber - drei Stellungen“ (liegend, stehend, kniend) nur einen 16. Platz errungen hatte.

Ob sie wegen der schmerzenden Arme auch mal ans Aufgeben gedacht habe? Die frisch gebackene Meisterin guckt erstaunt: „Das mache ich nicht. Das gehört dazu. Wenn man es durchgehalten hat, ist man stolz.“ Stattdessen legte sie beim Feuern einen Zahn zu. „Man muss sich beeilen, sonst tut's immer mehr weh.“

Als Julia 1997 in die Schützengilde Jan Wellem Bensberg eintrat, war sie elf und brauchte eine Ausnahmegenehmigung der Polizei. Jetzt besucht sie die Jahrgangsstufe 12 des Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums, ist froh über gute Noten und hat weniger Zeit für das, was Klassenkameradinnen tun. Die Faszination für ihr ausgefallenes Hobby hält an, seit sie ihren Vater ins Bensberger Schießsportzentrum Bockenberg begleitet hat. Doch während er mit der Pistole schießt, hat sie das Gewehr gewählt.

„Sie hat von Anfang an das größere Talent bewiesen“, sagt Willi Palm, der früher Verwaltungschef der Kreispolizeibehörde war, heute in der Kreisverwaltung arbeitet und bei Jan Wellem den Vorsitz führt. Er habe es nur bis zum Bezirksmeister gebracht, gesteht er mit schmunzelndem Seitenblick auf seine Tochter. Ärgerlich schaut er allerdings drein, wenn er an die Bemerkungen mancher Zeitgenossen denkt. Sie würden Julias Erfolge auf Eltern-Ehrgeiz zurückführen, zumal die dreiköpfige Familie oft gemeinsam bei Training oder Wettbewerb auftauche. Aber das sei ihre Form von Familienleben und das Schießen einzig und allein Julias Wunsch. Die 17-Jährige nickt. Für sie sei immer klar gewesen, dass sie den Schießsport „mal ausprobieren“ wolle. Und dann habe er sie fasziniert. „Es ist was anderes, es macht nicht jeder. Man lernt sich besser kennen. Gerade in der Wettkampfsituation.“

Die Wiederholung macht die Meisterin. „Je mehr man es übt, umso besser kann man es.“ Dabei gibt es allerdings Parameter, die sich ändern und beim Zielen berücksichtigt werden müssen. Bei der Meisterschaft war es zum Beispiel windig. Außerdem ist jeder Mensch morgens größer als abends. Das bedeute, erläutert Julia, dass sie später am Tag die Beine weiter auseinander stellen und den Körper steiler aufrichten müsse. „Man sagt, dass es zehn Jahre dauert, bis man alles so richtig hinbekommt.“

Ein Meistertitel nach nur sechs Jahren für die Juniorin, das sei „super“, freut sich der Düsseldorfer Verein auf der Homepage über sein treffsicheres Mitglied. Das Potential des Teenagers aus dem Bergischen haben auch Talentsucher längst erkannt. Seit 2001 trainiert sie im Post-Telekom-SV Düsseldorf bei Manfred Welbers, der als Co-Trainer der Nationalmannschaft auch Olympionike Alexandra Schneider unter den Fittichen hat.

2002 wurde Julia in den D / C-Kader, das „Goldfischbecken“ der Nationalmannschaft, aufgenommen. Um fit zu sein, trainiert sie zweimal pro Woche in Düsseldorf zwei bis vier Stunden, „oder fünf - kommt drauf an“. Vor Wettbewerben auch öfters. Ein teures Hobby, meinen die Eltern, die Fahrtkosten und Ausrüstung finanzieren müssen.

Julia nimmt fürs Foto das Fünf-Kilo-Kleinkalibergewehr auf den Schoß, aber ein bisschen ungern. Das gehört eigentlich an die Wange und dann auch nicht im Garten, sondern auf dem Schießstand. Stilecht müsste sich die zierliche Jugendliche zudem in den steifen Schießanzug zwängen.

Ob sie mal ans Aufhören gedacht hat? „Ganz aufhören würde ich nicht, es macht mir ja Spaß“, sagt sie und setzt mit entwaffnender Logik hinzu: „Aber meistens macht es mir nur Spaß, wenn es klappt. Und deshalb muss ich ja trainieren.“ Ein Ziel hat sie dabei jenseits der Zielscheibe im Auge: Mit der Düsseldorfer Mannschaft will sie im Luftgewehr-Schießen in die zweite Bundesliga aufsteigen. „Und ich würde gern nach Olympia. Aber das ist ja schwierig.“

   
Schnuppertraining
Dem Deutschen Schützenbund als Dachverband sind bundesweit etwa 1,55 Millionen Sportschützen angeschlossen. Darunter sind rund 19 200 weibliche und rund 71 300 männliche Junioren. Der Rheinische Schützenbund zählt über 90 000 Mitglieder, draunter sind knapp 800 weibliche und 3000 männliche Junioren. Der Verein Post-Telekom SV Düsseldorf zählt etwa 70 aktive und passive Mitglieder. Er hat etliche Deutsche Meister, Europameister, Olympiateilnehmer und Angehörige der Nationalmannschaft hervorgebracht.
Der Bensberger Heimatverein Schützengilde Jan Wellem Bensberg bietet ein Anfänger- und Schnuppertraiing im Haus Bockenberg jeden Dienstag von 17.30 bis 20.30 Uhr. 
www.jan-wellem-sgil.de   
www.sportschuetzen-post-sv.de

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