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Journalistin

 

24. April 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Interview: Chefarzt der Frauenklinik zur "Adelung" des Evangelischen Krankenhauses als DMP-Brustzentrum     
Infos: Verträge für die Gesundheit
   

Hoffnung auf eine höhere Heilungsrate

Seit März ist das Evangelische Krankenhaus Bergisch Gladbach als Brustzentrum des „Disease Management Programms“ (DMP) zertifiziert. Mit dem Leiter des Brustzentrums und Chefarzt der Frauenklinik, Professor Dr. Bernhard Liedtke, sprach Ute Glaser.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Warum hat das EvK die begehrte Auszeichnung als DMP-Brustzentrum erhalten?

PROFESSOR LIEDTKE: Qualität und Erfahrung sind da entscheidend. Die Auswahlkriterien für die Krankenhäuser, die die DMP-Verträge schließen dürfen, liegen auf sehr hohem Niveau. Beispielsweise müssen sie jährlich mehr als 150 Operationen bei Patientinnen vorweisen, die neu an Brustkrebs erkrankt sind. Zudem muss jeder Operateur seine persönliche Qualifikation nachweisen. Beide Vorgaben erfüllen wir.

Sie arbeiten seit sechs Jahren interdisziplinär und waren insoweit der Zeit schon etwas voraus.

LIEDTKE: Ja, fünf tragende Säulen des Brustzentrums arbeiten bereits seit einigen Jahren eng zusammen: die Frauenklinik, das Institut für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin, die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, das Institut für Pathologie und der Sozialdienst mit seinen Selbsthilfegruppen. Sie alle sind am EvK beheimatet und wir setzen natürlich die täglichen interdisziplinären Treffen fort, in denen jeder einzelne Brustkrebs-Fall besprochen wird.

Was kam durch den DMP-Vertrag neu hinzu?

LIEDTKE: Um dem DMP-Standard zu genügen, haben wir noch zwei weitere Bereiche standardmäßig integriert: Strahlentherapie und Onkologie. Bei der Strahlentherapie arbeiten wir mit Ärzten in Leverkusen und Köln zusammen, im Bereich Onkologie mit Dr. Stefan Korsten vom Bensberger Vinzenz-Pallotti-Hospital. Hinzu kommt eine stärkere Vernetzung mit den niedergelassenen Gynäkologen. Wir haben von Medical Net unsere Computer jetzt gerade ganz frisch so programmieren lassen, dass wir nicht nur EvK-intern vernetzt sind, sondern auch online mit allen DMP-Frauenärzten Daten blitzschnell austauschen können. Sinn ist es, dass jeder Arzt, der am Behandlungsprozess beteiligt ist, Daten so schnell wie möglich abrufen und notwendige Therapieschritte beginnen kann. Natürlich nur, sofern die Patientin zustimmt. Sie wird ohnehin in alle Entscheidungen eingebunden. Denn Brustkrebs ist kein Notfall. Es gibt immer Zeit zum Überlegen. Und jede Frau hat die Zeit, ihren persönlichen Weg zu finden.

Was muss eine Frau machen, die in einem DMP-Brustzentrum operiert werden möchte?

LIEDTKE: Bei der Krankenkasse erfährt sie, welche Frauenärzte qualifizierte DMP-Vertrags-Gynäkologen sind. Sie wählt einen aus und er steht dann am Beginn des vielschichtigen Behandlungsprozesses - immer gemäß den hohen DMP-Richtlinien. Der Sinn ist, dass Operationen von Mammakarzinomen nur noch in den spezialisierten Brustzentren erfolgen sollen - erkennbar an einem einheitlichen Logo. In ein bis zwei Jahren werden die übrigen Kliniken Brustkrebs nicht mehr operieren.

Wie wichtig ist für Sie die Ästhetik bei einer Brustkrebs-Operation?

LIEDTKE: Die DMP-Brustzentren verpflichten sich dazu, verstärkt brusterhaltend und brustrekonstruierend zu arbeiten. Das setzt Erfahrungen in der plastisch-ästhetischen Brustchirurgie voraus, die wir in großem Umfang haben. Denn wir behandeln ja nicht nur Mammakarzinome. Wir kümmern uns um die Brustgesundheit im Ganzen. Dazu gehört auch, dass wir zahlreiche plastisch-ästhetische Brustoperationen durchführen: Vergrößerungen, Verkleinerungen und Symmetrieausgleich. Ich finde, der ästhetische Anspruch an eine Brustoperation kann nicht hoch genug sein.

Sie sind Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Senologie sowie der Arbeitsgemeinschaft gynäkologischer Onkologie. Was erhofft man sich dort von den DMP-Brustzentren?

LIEDTKE: Vor allem eine höhere Heilungsrate bei Brustkrebs in Deutschland. 70 bis 80 Prozent sind angestrebt. Wie hoch die Heilungsquote derzeit ist, weiß allerdings niemand genau, da es in Deutschland kein Register gibt. Deshalb sind konkrete Zahlen auch ein Wunsch, der sich durch die DMP-Brustzentren erfüllen soll. Denn die Daten aller Patientinnen, die mitmachen, werden anonymisiert ausgewertet. Und da es allein in Nordrhein jährlich 14 000 neue Brustkrebs-Fälle gibt, kann so schnell ein Register entstehen, das zur Optimierung der Behandlungsabläufe herangezogen werden kann. Heute arbeitet noch jede Klinik für sich, aber dann lässt sich durch Datenabgleich die Therapie-Qualität voraussichtlich nochmals anheben.

Was bedeutet es für Sie persönlich, dass Sie und Ihr Team als DMP-Brustzentrum „geadelt“ sind?

LIEDTKE: Es ist eine große Freude für mich, weil es immer mein Ziel war, auf hohem Niveau interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Die DMP-Brustzentren garantieren einen Standard auf hohem internationalen Niveau. Denn es muss letztlich gleichwertig sein, ob eine Patientin in Mailand, London oder Bergisch Gladbach operiert wird.

   

Verträge für die Gesundheit
Gesundwerden soll kein Zufall sein. Deshalb macht jetzt die Kunde vom „Disease Management Programm“ (DMP) die Runde. Dahinter steckt, dass Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung und ausgewählte Krankenhäuser für verschiedene Krankheitsbilder Verträge schließen. In ihnen werden hohe Qualitätskriterien für die Kliniken und optimale Behandlungsabläufe für die Patienten festgeschrieben.
Für fünf Krankheitsbilder sind DMP-Verträge derzeit vorgesehen, darunter Herzerkrankungen und Diabetes.
Bundesweite Pionierrolle hat der DMP-Vertrag „Brustkrebs“ für den Bereich Nordrhein, der Ende März unterzeichnet wurde. Er sieht 50 DMP-Brustzentren in Nordrhein vor. Aktuell zertifiziert sind jedoch erst 20 Kliniken, die den strengen Auflagen genügen. Dazu gehört zum Beispiel der Nachweis einer bestimmten OP-Anzahl, der Nachweis der Qualifikation jedes Operateurs, die durchgängige psychische Betreuung der Patientin, die Daten-Vernetzung mit niedergelassenen Frauenärzten und die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen .
Zu den 20 Vorreiter-Kliniken gehört das Evangelische Krankenhaus (EvK) in Bergisch Gladbach. Es ist damit die Spezialklinik in Sachen Brustkrebs für den Rheinisch-Bergischen Kreis.
(ugl)

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