UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

6. März 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Ein Ort für die Engelskinder

Sie haben keine Lobby: die Kinder, die viel zu früh und tot geboren werden. Aber im Herzen der Stadt gibt es jetzt neu einen Ort für ihre letzte Ruhe.

Bergisch Gladbach - Die Mutter hat ihr Kind im Arm. Tot ist es, aber doch ihres. Federleicht ist es, weil es viel zu früh auf die Welt kam. Zu früh, um zu atmen, zu früh, um zu leben. Die Eltern möchten es bestatten. Gibt es einen Platz für diese Wesen, die Engelskinder, Himmelskinder oder Schmetterlingskinder genannt werden? „Ja“, kann das Evangelische Verwaltungsamt in Bergisch Gladbach jetzt antworten. Ganz neu hat es im Herzen der Stadt auf dem Friedhof Quirlsberg ein Fleckchen Erde ausgewiesen, das speziell fehl- und totgeborenen Kindern bis 1000 Gramm vorbehalten ist. An einem geschützten Platz können Eltern die kleinen Grabstellen, die ein Meter mal 80 Zentimeter messen, mit Pflanzen, Steinen, Windrädern und anderem gestalten. Auch das Behältnis, in dem das Menschlein beigesetzt wird, kann frei gewählt, sogar selbst gebaut werden.

Die Bestattung der fehl- und totgeborenen Kinder ist ein Tabuthema, das erst langsam aufgebrochen wird. Bisher gibt es in Nordrhein-Westfalen für die kleinen Totgeborenen, sofern sie unter 500 Gramm wiegen, keine Bestattungspflicht. Sie werden gängigerweise mit den Krankenhausabfällen als Sondermüll entsorgt. Erst ab 500 Gramm sind Tote auf der Verwaltungsebene „anerkannt“: Sie müssen ins Stammbuch eingetragen und bestattet werden. Aber Kind ist Kind. Und der Verlust sei für die Eltern fehl- und totgeborener Kinder furchtbar, sagt Wiltrud Bauer, Krankenhauspfarrerin am Evangelischen Krankenhaus. „Man geht von hier mit nichts in der Hand. Das ist die Tragik.“ Umso bedeutsamer sei es, einen Platz für die Trauer zu haben. „Es ist wichtig, dass man seine Liebe an einen Ort tragen kann. Auch, um sich dann besser lösen zu können.“

Aus diesem Grund hat ihre Amtsvorgängerin Irmgard MacDonald das Projekt „Gräber für fehl- und totgeborene Kinder bis 1000 Gramm“ angestoßen. „Die Formulierung hört sich etwas komisch und fast pietätlos an, aber wir mussten das so klar formulieren“, sagt Karin Kiel, Friedhofsbeauftragte des Evangelischen Verwaltungsamtes. Sie sorgte auf der Verwaltungsebene für die Durchführung des Projekts, das 2001 vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde formell beschlossen worden war. Ein Arbeitskreis befasste sich mit Details und vor allem mit der Herausgabe eines Faltblatts.

„Wenn Sie ihr Kind verloren haben ...“ Die frisch gedruckte Informationsschrift erhalten dieser Tage alle örtlichen Krankenhäuser, Bestatter, Hebammen und Pfarrer beider Konfessionen. „Unser neues Angebot stößt vor allem bei den Hebammen auf großes Echo", freut sich Karin Kiel. Denn der Friedhof Quirlsberg ist der erste evangelische Friedhof im Kreis, der dieses Angebot macht. Auf den Friedhöfen von Bergisch Gladbach konnten die winzigen Toten bislang zwar auf dem städtischen Friedhof in Moitzfeld beigesetzt werden, doch wurde dieser Platz als „Katzenecke“ von Eltern nicht gut angenommen.

Innovative Bestatter wie Fritz Roth hatten schon vor Jahren mit der Beilegung einen Weg gefunden, Fehlgeburten im Grab einer anderen Person zur letzten Ruhe zu betten. Doch manche Eltern vermissen bei dieser Lösung die Gestaltung eines „eigenen“ Platzes. Die Kirchengemeinde will mit der neuen Grabform Eltern helfen, ihre Trauer zu leben und den Verlust besser zu verschmerzen. Deshalb ist solch ein Grab für nur fünf Jahre konzipiert. Und mit einer einmaligen Pauschale von 50 Euro koste es verhältnismäßig wenig, berichtet Karin Kiel. Mit ihr stimmt die Familie den Termin für die Beerdigung ab, bei der Bestatter und Pfarrer dabei sein dürfen, aber nicht müssen. Die Familie kann die Beerdigung in Eigenregie durchführen oder Hilfe bei dem letzten gemeinsamen Weg in Anspruch nehmen. Entsprechende Ansprechpartner listet das Faltblatt auf.

Infos und Faltblatt: Karin Kiel, Evangelische Friedhofsverwaltung, montags bis freitags 9-12 Uhr, 0 22 02 / 9 36 67-11

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