Donnerstag, 2. Juni 2009

Abgestumpft

Meine Schwester Silke und ich haben etwas Lukullisches gemeinsam: Wir lieben Spargel. Kaum dass das Gemüse frisch aus deutschen Landen im Laden liegt, eröffnen wir die Saison. Am liebsten klassisch - mit Schinken, Kartoffeln und gebräunter Butter. Wahlweise mit Reis oder Hollandaise. In einem unterscheiden wir Schwestern uns allerdings: Während ich den Spargel nach Art meiner Mutter mit scharfem Küchenmesser von unten nach oben schäle, schält meine Schwester kochbuchgerecht von oben nach unten - und zwar mit einem Sparschäler. Genau da begann vergangenes Jahr ihr Problem: Das unentbehrliche Arbeitsgerät war während der Spargelzeit von heute auf morgen spurlos verschwunden. Silke fackelte nicht lange und kaufte einen modernen Nachfolger, ein vornehmes Stück aus Edelstahl. Aber welche Enttäuschung: Es war stumpf, schälte schlecht - kurz: kein Vergleich mit dem abgewetzten Vorgänger. Silke sah der Spargelsaison mit gemischten Gefühlen entgegen. Sollte sie in einen weiteren Sparschäler investieren? Doch zu ihrer Verblüffung tauchte das verschollene Utensil zeitgerecht wieder auf: im Kompost. Leicht ramponiert, aber durchaus noch funktionstüchtig wanderte es wieder in die Küchenschublade, gleich neben den verschmähten Edelstahl-Kollegen. Das ungleiche Duo animierte Sohn Tom ein paar Tage später zum Vergleichs-Schälen, wobei sich eine überraschende Erkenntnis herausschälte: Silke braucht wohl eine Brille. Denn auf der Klinge des „stumpfen“ Edelstahl-Schälers klebte noch die Schutzfolie.
UTE GLASER

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