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15. November 2005

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Erstmals tritt ein schwules Paar in Bergisch Gladbach vor den Altar: "Es geht um ein Bekenntnis"  
Zum Hintergrund: Das Thema wurde kontrovers diskutiert

„Es geht um ein Bekenntnis“

Von Ute Glaser
Herbert Groh und Heiner Koppe haben auf dem Standesamt „Ja“ gesagt. Die Evangelische Kirchengemeinde in Gladbach ermöglicht nun eine „Gottesdienstliche Begleitung“.

Bergisch Gladbach - Vor der Tür des Reihenhäuschens am Heiligenstock blühen Kübelpflanzen, beim Öffnen lugt Hund Kenzo um die Ecke. Herbert Groh (56) und Heiner Koppe (52) fühlen sich hier miteinander wohl. Seit 1992 wohnen sie in dem offen gestalteten Haus, seit 24 Jahren sind sie ein Paar. Es drängte sie zunehmend, das Lebensbündnis in eine verbindlichere Form zu bringen. Schmunzelnd, mit Blick zu seinem Partner erzählt Herbert Groh: „Ich habe gesagt: Wenn du das Aufgebot bestellst, heirate ich dich!“

Am 10. September, seinem 56. Geburtstag, war es soweit, wenngleich die Zeremonie im Bergisch Gladbacher Ratssaal im Amtsdeutsch nicht „Trauung“, sondern „Verpartnerung“ heißt. Jetzt freuen sich die beiden Männer darauf, in der evangelischen Gnadenkirche auch vor Gott zu treten. „Gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft“ heißt das im Kirchen-Klartext. Den beiden ist der Begriff egal. Was für sie zählt, ist, dass ihr Wunsch nach kirchlichem Segen wahr wird. Aufgrund ihrer Bitte hat das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Bergisch Gladbach im Oktober 2005 beschlossen, diese „Gottesdienstliche Begleitung“ in ihren Pfarrbezirken möglich zu machen. Für Heiner Koppe ist der gottesdienstliche Teil im Vergleich zum weltlichen auf jeden Fall „der wichtigere“.

Für die beiden Männer ist die öffentlich gemachte Anerkennung ihrer Beziehung ein bedeutender Baustein einer Lebensgeschichte, die anfangs von offener Diskriminierung und später noch von familiärem Leid geprägt war. „Ich hatte mein Coming-out mit 21“, sagt Herbert Groh. „Damals gab es den Paragrafen 175 noch.“ Dass der Homosexualität zu einem Straftatbestand machte, wissen viele Jugendliche heute gar nicht mehr. „Es war extrem schwierig für zwei Männer, die zusammenziehen wollten, eine Wohnung zu finden.“ Durch eine Kontaktanzeige im Stadtmagazin lernte der Jurist Groh 1981 in Bremen Heiner Koppe kennen, der damals als Krankenpfleger arbeitete und heute als freiberuflicher Supervisor tätig ist. 32 und 28 waren sie. Auch der Jüngere hatte mit 21 seine Männerliebe entdeckt. Treffpunkte in Kneipen, Saunen und Parks habe es zwar genauso viele wie heute gegeben, aber es sei schwieriger gewesen, sie zu finden. Homosexualität war ein Tabu. Groh und Koppe erinnern sich, dass sie in jungen Jahren bisweilen extra provokant auftraten - zum Beispiel Händchen haltend. „Da sind wir beschimpft worden.“

1984 zogen sie nach Köln, nahmen am „Christopher Street Day“ teil. „Der war da noch mini.“ In dem Maße, wie er wuchs, schwand die offene Diskriminierung. „Heute ist homosexuelles Leben in der Öffentlichkeit in Köln und Umgebung eine Selbstverständlichkeit“, sagt Herbert Groh. Dabei mag er das Wort „homosexuell“ eigentlich gar nicht. „Das ist wie eine medizinische Diagnose - und ich bin nicht krank.“ Den Begriff homoerotisch findet das Paar abgehoben. Gleichgeschlechtlich? Furchtbar! „Wir sind schwul!“

Rückendeckung vom Elternhaus hatten beide Männer nicht. Herbert Grohs Eltern kamen mit seiner Entwicklung nicht klar, nur der Bruder stand ihm bei. Bei Heiner Koppe war es noch drastischer. Sein Vaterer wandte sich vom Sohn ab, schickte noch 1992, als das Paar von Köln ins Gladbacher Reihenhaus umzog, eine Karte: „Ich habe immer noch gehofft, du findest die richtige Frau.“ Die Mutter hatte dem nichts entgegenzusetzen. „Ohne meine Großmutter gäbe es mich nicht“, sinniert der 52-Jährige. Sie sensibilisierte ihn auch für die Religion. „Dieses Gottvertrauen ist gewachsen durch sie.“

Für beide Männer ist es ein Bedürfnis, ihre lange Lebensgemeinschaft auch in die Kirche zu tragen. „Es ist ein Bekenntnis zu dir und zu meinem Glauben“, sagt Herbert Groh, während er seinen Partner anschaut. Und dafür sei im Gottesdienst der richtige Platz. „Kirchliches Leben findet in der Gemeinde statt.“ Das sei keine Privatsache.

Allerdings war das nicht immer so klar für die beiden Gladbacher. Denn auch kirchlich lief bei ihnen nicht alles rund. Herbert Groh, der sich bei Kindergottesdiensten und in der Jugendarbeit engagiert hatte, wandte sich nach seinem Coming-out an den Pfarrer, „meinen ehemaligen Religionslehrer“, um Hilfe zu finden. Doch der hatte nur Ratschläge wie „Da müssen Sie gegen angehen“ parat. „Aus dieser Enttäuschung heraus habe ich einen Teil meiner kirchlichen Heimat verloren. Was ich nicht verloren habe, ist mein Vertrauen in eine höhere Macht, heute sage ich Gott.“ Heiner Koppe kehrte ebenfalls zwischendurch der Amtskirche den Rücken.

Erst langsam und im Miteinander fanden die beiden Männer zu ihrer religiösen Identität (zurück). Beide haben die Bibel intensiv gelesen, kümmern sich um zwei Patenkinder und besuchen fast jeden Gottesdienst in der Gnadenkirche, zu deren Bezirk sie gehören. Dass manche Pfarrer die „Gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft“ ablehnen, ficht sie nicht an. „Unser Gott ist größer.“ Aber es macht sie froh, dass das Presbyterium ihren Wunsch erfüllt und der zuständige Pfarrer Thomas Werner sie in der Gnadenkirche zum Altar begleitet. „Es war uns wichtig, dass das in der Gemeinde stattfindet“, sagt Heiner Koppe. „Das ist ein Signal der Akzeptanz auch nach draußen. Und es ist eine Botschaft an die, die außerhalb der Kirche stehen, dass schwule Paare eine kirchlich gebundene Heimat finden können.“

Der Termin ist fest: 1. Advent, 27. November, 10 Uhr. Eine Rentnerin aus der Nachbarschaft hat sich bereits erkundigt, was sie und ihr Ehemann dem Paar schenken könnten.

 

Kontrovers diskutiert

Die Evangelische Kirche im Rheinland machte die „Gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Paare in verbindlicher Lebensgemeinschaft“ durch einen Beschluss der Landessynode aus dem Jahr 2000 möglich. Voraussetzung ist, dass die betreffende Kirchengemeinde diesen Weg mehrheitlich beschließt, dass ein Pfarrer die „Gottesdienstliche Begleitung“ durchführen möchte und mindestens einer der Partner Mitglied der Evangelischen Kirche ist. Laut Pressestelle des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln setzen „offiziell ganz wenige“ Gemeinden in der Region den Beschluss um. Dazu gehört seit Oktober 2005 die Evangelische Kirchengemeinde Bergisch Gladbach.

Auslöser für den Beschluss war die Anfrage von Heiner Koppe und Herbert Groh. Das Presbyterium entschied nach teils kontroverser Diskussion, „die gottesdienstliche Begleitung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften generell in unseren Pfarrbezirken zu ermöglichen“. Nach der Erklärung, die am vergangenen Sonntag in der Gemeindeversammlung verlesen wurde, hat sich einer der Gladbacher Pfarrer, Achim Dehmel, mit einer Minderheit der Presbyter „ausdrücklich gegen diesen Weg ausgesprochen“ und Wert darauf gelegt, publik zu machen, dass seiner Meinung nach „Gott sich ausschließlich gegen Partnerschaften dieser Art“ ausspreche, wenngleich „homosexuelle Menschen am Gemeindeleben erhobenen Hauptes teilnehmen können“. Die Mehrheit des Presbyteriums ist jedoch überzeugt, „dass die Bibel auf diese Frage keine unserer Zeit gemäße Antwort gibt, dass aber die Nächstenliebe es erfordere, beizustehen, wo seelsorgliche Begleitung erwünscht ist“. (ugl)

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