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Journalistin

 

Donnerstag, 27. März 2003
    

  

Der Mann, der den "7. Sinn" erfand wird 70 Jahre alt

Von Ute Glaser

Bergisch Gladbach. "Freie Fahrt zum Chef" steht auf dem Schild an der Bürotür, die gerne offen steht. Aber selten hält es Filmemacher Alfred Noell lange an seinem überfüllten Schreibtisch. Das Reiseprogramm Schweden, Saarland, Berlin quetscht er in zwei Wochen - dazwischen immer wieder Stippvisiten in Bergisch Gladbach.

Fliegende Wechsel zwischen Schnittplätzen, Sprechaufnahmen und Drehorten. Wenn der Chef der Firma "Cine Relation" dann die Treppe zum Büro heraufstürmt, stets zwei Stufen auf einmal nehmend, kommen Zweifel auf: Der Mann soll tatsächlich 70 sein? Der 27. März ist jedenfalls sein Geburtstag. Gelebt hat Alfred Noell immer im Rheinland, aber für Foto und Film hat er viele Länder bereist und dabei nicht nur den richtigen Riecher für Themen gehabt, sondern oft auch seine Nase vorn. Er schoss die ersten Bilder vom weißen Wal im Rhein. Er war international der erste, der einen Bericht über das Erdbeben von Skopje auf den Sender brachte. Er war dabei, als die ersten über die East African Safari Rallye und über die Rallye Paris-Dakar berichteten. Er begleitete fast zwei Jahrzehnte die Rallye Monte Carlo und noch länger sämtliche WM-Läufe im Motorsport. Alfred Noell steckt voller Geschichten, hat aber selten Muße, sie zu erzählen. Zum einen, weil ständig das Telefon klingelt, zum anderen, weil täglich neue hinzu kommen.

Gerade hat er Harry, einem witzigen und dennoch sachkundigen Serienhelden, zur TV-Geburt im ZDF verholfen. Hier läuft schon seit Jahren erfolgreich die "ServiceZeit Verkehr", auch ein Produkt seiner "Cine Relation". Noch länger - seit 1966 - flimmert "Der 7. Sinn" in der ARD über die Mattscheiben. Es ist die am längsten im deutschen Fernsehen laufende Programmsendung. Länger als Werner Höfers "Frühschoppen" und Robert Lembkes "Was bin ich". Mehr als 1 400 Folgen wurden bisher ausgestrahlt, und 96 Prozent der Bevölkerung kennen laut einer Umfrage den Verkehrskrimi, den Millionen jeden Sonntag um 18.05 Uhr sehen. Noell ist der Vater dieses Drei-Minuten-Klassikers und immer noch sein Macher, auch wenn er längst nicht mehr alle Drehbücher selbst schreibt. Dazu lassen Aufträge für viele TV-Sender, Ministerien, Verbände und Firmen keine Zeit.

Zusätzlich verschlingt der Verein "Hilfe für das verkehrsgeschädigte Kind" Zeit, dessen Gründer und Vorsitzender er ist. Lob hat Noell zuhauf bekommen. Neben dem Bundesverdienstkreuz waren es über 50 Auszeichnungen im In- und Ausland für seine journalistische Arbeit. Gibt es Grenzen? Ein totes Kind in den Armen seiner Mutter zu filmen, hat er einst abgelehnt: "So etwas würde ich nie machen." Bei Autoschrott ist das anders. Weit über 700 Autos hat er "vercrashed". Wenn das Oma wüsste! Sie hatte einst ihrem Enkel geholfen, seine erste Kamera zu finanzieren. Nach der Schule fotografierte der Gymnasiast damit Fachwerkhäuser seiner Heimatstadt Hilden, die er marktbewusst ans Stadtarchiv verkaufte. Dabei fiel er der örtlichen Presse auf, die ihn als freien Fotografen einspannte. Der Beginn einer Karriere. Denn bald erschienen seine Fotos in renommierten Blättern wie Paris Match und Stern. Die Bilder lernten zunehmend laufen, und für den jungen Mann war klar: "Ich wollte zum Fernsehen." Getreu seinem Naturell, alles in eigene Hände zu nehmen und nichts dem Zufall zu überlassen, kaufte er sich 1961 eine 16-Millimeter-Fernsehkamera und gründete als 28-Jähriger die "Cine Relation Alfred Noell GmbH" in Hilden. "Ich habe mich tagelang vor den Fernseher gesetzt und Zeiten gestoppt: Schwenks ausgestoppt, Schnitte ausgestoppt." Was er macht, macht er richtig. Wen wundert's, dass da seine beiden Erstlingswerke - Kurzfilme über Ladentürklinken und Schleifsteine - sogleich ein Sesam-öffne-dich für den WDR wurden.

Der Ein-Mann-Betrieb florierte, wuchs, zog 1973 von Hilden nach Köln-Lindenthal und 1983 nach Bergisch Gladbach. Heute gehören acht Angestellte und ein gutes Dutzend Freie Mitarbeiter(innen) zum Team. Und weil auch ein Alfred Noell nicht jünger wird, hat er mit der 36-jährigen Angela Recino eine Partnerin gewonnen, mit der er sich Geschäftsführung und Gesellschafteranteile seit 2001 teilt. Ruhestand? Manchmal kokettiert er damit. Aber keiner will ihn gehen lassen. "Er ist der Beste", ist seine Partnerin von den filmerischen Qualitäten Alfred Noells überzeugt. Er selbst kann's auch nicht lassen. Bei aufwändigen Dreharbeiten steht er am Set, bei Stunt-Szenen setzt er sich selbst ans Steuer, und bei Oldtimer-Rallyes geht er mit seinem roten Fiat Dino Coupé mit Ferrari-Motor selbst an den Start.

Informationen im Internet: www.cinerelation.de.

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