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Journalistin

 

Samstag, 29. April 2006
    

   

UNSERE STADT: Zeit-Dieb

Von Ute Glaser

Meine Tochter gab mir aufgeregt das Telefon. "Mama", flüsterte sie, "da ist jemand aus dem Ausland!" Meine Neugier wich Ärger, als ich die Männerstimme mit italienischem Jargon hörte. Sie bot mir tolle Weine an - zu Sonderpreisen.

Währenddessen schürte das Stimmengewirr im Hintergrund den Eindruck, der Mensch sitze im Großraumbüro. "Wir brauchen keinen Wein", bluffte ich den Typen an, was ihn nahtlos andere Delikatessen aus Bella Italia anbieten ließ. Sonderpreise, logo. "Ich kaufe nichts." Der Typ war nicht zu stoppen. "Ich habe kein Geld." Wütend wollte ich das i-Tüpfelchen mit "Wir sind alle arbeitslos" aufsetzen, als mich die ängstlichen Augen meiner Tochter bremsten. "Rufen Sie nie wieder an." Ich drückte auf "Aus" just, als der Typ einen günstigeren Termin fürs Gespräch verlangte. Mir wurde plötzlich bewusst, wie viel Lebenszeit mir aufdringliche Anrufer stehlen. Von wegen Italiener! Vermutlich war es ein Deutscher mit Italo-Sprachkurs, der in Köln-Nippes sitzt, mutterseelenallein, und das Stimmengewirr läuft vom Band. Ein Wegelagerer im Telefonnetz, ein Zeit-Dieb.

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