UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

24. November 2001

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Ein Opa für alle Fälle

Opa Ziebell nennen sie ihn. Die Kinder lieben den 66-Jährigen, der zweimal im Monat von Köln nach Olpe kommt, um mit ihnen Holzarbeiten zu machen. Material und Sprit bezahlt er selbst.

Kürten-Olpe - „Hat jetzt jeder Arme und Beine?“ Opa Ziebell schaut seine kleinen Lehrlinge an, die Marek (7), Michelle (5), Paulina (4), Florian (4) und Henrik (5) heißen. „Ja!“ schallt es ihm wie im Kasperletheater entgegen. Vor jedem der fünf Kinder, die an diesem Tag mit ihm werkeln dürfen, liegen ein großes Vierkantholz und vier kleinere Hölzer. Daraus soll bis zum Ende der Werkstunde ein Männchen entstehen. Nageln ist dieses Mal angesagt.

An anderen Tagen macht Opa Ziebell, der eigentlich Sigurd Ziebell heißt, Laubsägearbeiten mit den Kindern oder feilt und schmirgelt. Ständer für Stifte, ein Wandbild und Staffeleien hat er mit den Kindern schon fabriziert. Ramponiertes Spielzeug nimmt er zum Reparieren auch schon mal mit nach Hause. Jetzt greift er ein Stück Holz, das zum Bein werden soll, und erklärt den Kindern, wie's geht: „Da schlagen wir zwei Nägel rein. Und beim Arm da nehmen wir nur einen, denn der soll sich ja noch bewegen.“ Dieses Mal hat er sogar eine Bohrmaschine mitgebracht. „Das ist in echt!“ verkünden die Kinder stolz, die damit die Gliedmaßen vorm Annageln vorbohren müssen. „Jetzt musst du mir die Arme dranmachen“, verlangt Michelle. „Ja gut“, meint Opa Ziebell, „aber das Bohren machst du.“ Hochkonzentriert ist die Fünfjährige, als sie die Maschine benutzt: „Weißt du, wo ich das alles gelernt habe? Bei meinem Opa.“

Vor drei Jahren kam er das erste Mal in die Kindertagesstätte St. Margareta. Damals ging sein Enkel Gerrit dort hin und eines Tages erzählte seine Schwiegertochter, dass das Kita-Team jemanden suche, der ab und zu mit den Kindern Holzarbeiten mache. Seitdem kommt er nicht nur zweimal im Monat von Köln aus angefahren, sondern bringt auch Material und Werkzeug selber mit. „Und bezahlt noch den Sprit“, fügt Kita-Leiterin Petra Osenau hinzu. Geld nimmt er nicht an. „Das wäre ja noch schöner“, sagt er brüsk. „Da könnten die sich ja gleich einen Schreiner halten.“ Allerdings freut er sich über Materialspenden.

Ein Entsetzensschrei von Michelle: „Ein Arm ist länger als der andere.“ Opa Ziebell runzelt die Stirn: „Tatsächlich. Das haben wir nicht richtig angenagelt.“ Aber der Schaden ist schnell behoben, und weil es eine Frau sein soll, bekommt sie noch eine Holzscheibe als Hut auf den Kopf. „Jetzt musst du den aber noch schmirgeln, damit der vernünftig wird.“

„Doofer Nagel“ flucht Florian (4) vor sich hin, weil das Metall einfach nicht gerade ins Holz will. Opa Ziebell schmunzelt und rät: „Klopf das erst mal rein. Immer eins nach dem anderen.“ Das Werken habe auch pädagogische Ziele, sagt er. „Die Kinder müssen Geduld haben, warten bis sie an der Reihe sind. Und sie müssen Arbeiten machen, die sie nicht so gerne machen.“ Er mag es, wie die Kinder reden. Am liebsten hat er es, wenn sie sich „so richtig ernst“ unterhalten. Dann erzählten sie zum Beispiel „Ich mache das immer so“, als hätten sie schon wer weiß wie viel geschreinert. Oder sie geben Tipps. „Du könntest auch mal wieder zum Frisör gehen“, ließ ein Kind ihn mal wissen. Das Kita-Team schätzt den 66-Jährigen nicht nur wegen des weiten Weges, den er auf sich nimmt, sondern auch wegen seiner Art. Er sei immer „ruhig und besonnen“, sagt Petra Osenau. Das Arbeiten mit Opa Ziebell ist so beliebt, dass es schon mal Wartelisten gibt. Und die ältesten Kinder, die Vorschulkinder, genießen Vorrang. Schließlich ist ihre Zeit mit Opa Ziebell ja bald abgelaufen. Leider gibt's in der Kita keinen Werkraum, so dass der Werktisch im Flur aufgestellt werden muss.

Als die ersten Gruppentüren aufgehen, um die anderen Kita-Kinder zum Spiel ins Freie zu entlassen, ist die Konzentration der Lehrlinge vorbei. Marek packt ein, und Florian erklärt mit Blick auf seine Holzarbeit: „Ich denke, die mache ich zuhause fertig.“ Auch Paulina will ihren Puppen-Torso zuhause fertig stellen - „mit meinem Papa“. Dann will sie die Holzpuppe anmalen und ihr ein „schönes Kleid mit Rosen“ anziehen. Michelles Arbeit ist am weitesten gediehen, liebevoll drückt sie sie an sich. „Das ist eine Frau, so eine Frau, die immer auf einem Seil balanciert.“ Verblüfft ist das Mädchen allerdings über ihre schwarz verfärbten Finger. „Das ist nun mal so beim Arbeiten“, sagt Opa Ziebell lachend. In einem Punkt staunt er über seine kleinen Lehrlinge: Der Hammer ist nicht einmal auf die Finger gesaust.

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