UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

26. November 2001

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Mit Theater auf der Suche nach dem Leitbild

Das Leitbild ist neu und soll gelebt werden, anstatt in der Schublade zu verschwinden. Deshalb gab's einen originellen Auftakt für die Umsetzung: Die Mitarbeiter des evangelischen Krankenhauses entwickelten ein Theaterstück.

Bergisch Gladbach - Schon gehört? Hauswirtschaftsleiterin Inge Kacinari ist urplötzlich hochschwanger. Die Chefin des Zentralarchivs, Erika Weiershäuser, soll putzen und Pressemann Klaus Kocanda wurde im Blaumann gesehen. Ja, was ist denn da los beim Evangelischen Krankenhaus? Das Leitbild ist los. „Wir“ heißt es, was einfach klingt, jedoch Produkt ausdauernder Arbeit ist. In über zweijähriger Arbeit wurde es von rund 150 Mitarbeiter entwickelt. Beteiligt waren alle Berufssparten der „Evangelischen Krankenhausgesellschaft“, zu der neben dem Krankenhaus auch zwei Seniorenheime, Diakoniestation, P.U.R, Krankenpflegeschule und weitere Einrichtungen gehören.

Jetzt liegt das Leitbild nicht nur gedruckt vor, sondern ging mit dem hauseigenen Theaterstück „Wo bitte geht's denn hier zum EKG?“ auf ungewöhnliche Weise an den Start. Künftig soll es auf vielfältige Weise den Geist des Krankenhauses unsichtbar, aber spürbar prägen. Denn das „Wir“ als Leitbild wird gleichermaßen die Beziehungen der Belegschaft untereinander wie auch zu den Patienten und Bewohnern gestalten.

Leitbild, was ist das? Es ist ein Instrument der unternehmenspolitischen Rahmenplanung. Es formuliert Unternehmensgrundsätze, Ziele und Visionen, es orientiert, motiviert und legitimiert. So können EvK-Angestellte nun beispielsweise auf folgenden Satz pochen: „Die Mitarbeiter unserer Einrichtungen sind das wichtigste Kapital. Ihre Zufriedenheit ist ein wichtiger Gradmesser für den Erfolg unserer Arbeit.“ Es ist verbrieft, dass „Wert und Würde menschlichen Lebens für uns Maßstab allen Handelns“ sind und dass das EvK die „Einzigartigkeit jedes Menschen im christlichen Glauben begründet“ sieht.

Gibt es solche Leitbilder nicht überall? Leider nein, meint Professor Bernd Mühlbauer von der Fachhochschule Gelsenkirchen und Experte auf dem Gebiet des Managements im Gesundheitswesen. Er charakterisiert das EvK als „sehr fortschrittliches Krankenhaus“, das nicht auf die gesetzlichen Vorgaben zum Qualitätsmanagement gewartet habe, die nächstes oder übernächstes Jahr greifen sollen. Seit etwa drei Jahren ist er der beratende Partner des EvK. „So lange und nachhaltig“, sagt er, laufe kein anderes Qualitätsmanagement-Projekt an einem deutschen Krankenhaus.

Er, der zehn Jahre in der Branche ist und unter anderem auch das Großklinikum Ludwigshafen berät, findet zu dem Gladbacher Projekt „kaum Vergleichbares“. Einzigartig ist denn auch die Art und Weise, mit der das Leitbild nun veröffentlicht wurde: mit einem Theaterstück, das zwölf Mitarbeiter in einem Dreivierteljahr kreierten. Professionelle Hilfe gab's für die Bühnenumsetzung von der Hamburger Dramaturgin Gundula Reinig. Die zehn Alltagsszenen begeisterten mit ihrem Witz und ihrer Situationskomik in zwei Vorstellungen die Mitarbeiter.

Zugleich wurde anhand der zugespitzten Situationen das lebendig, was das neue Leitbild transportieren will: das Wir, die ethischen Werte und Qualitätswerte. EvK-Geschäftsführer Harald Januschewski ist froh, das Wagnis eingegangen zu sein. Schon setzt gebe ihm der Erfolg recht. Die Proben fürs Theaterstück, die Geheimniskrämerei darum, der Kartenverkauf zugunsten des Fördervereins und der Elan der Laienschauspieler hätten die Krankenhausbelegschaft infiziert. Von den 700 Mitarbeitern, so seine Bilanz, habe inzwischen bereits die Hälfte am Qualitätsmanagement mitgewirkt.

Dass jemand übers Theaterspielen die Nase rümpfen könnte, ficht ihn nicht an. Bei den heutzutage „längst nicht optimalen“ Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen sei maximales Engagement in Sachen Qualität wichtig. Und die lasse sich nur gemeinsam mit den Mitarbeitern erreichen. „Man muss die Säge auch schärfen“, bestätigt Mühlbauer. „Und dazu bedarf es einer Botschaft.“ Die fällt nicht vom Himmel, sondern muss entwickelt werden - beispielsweise zum „Wir“.

Das Theaterstück sorgte dafür, dass das Leitbild schon Gesprächsthema wurde, bevor die Wir-Broschüre verteilt war. Ehrensache, dass da keine Models für die Fotos posieren, sondern waschechte EvKler. Aktionen und Maßnahmen sollen das Leitbild nun beseelen. Neue Betten (ein Ausfluss der Patientenbefragung) sind schon da, ein Trauerraum ist eingerichtet und die Notaufnahme umgebaut. Künftig gibt's auch Mitarbeiterbefragungen und eine Ethikkommission. Und irgendwann muss vielleicht niemand mehr suchend fragen: „Wo bitte geht's denn hier zum EKG?“

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