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Journalistin

 

Freitag, 5. Juli 2002

Story: Frau mit drei Brüsten operiert"
Extra-Text: "Daran hat Maria gelitten"

Extra-Text: "So können Sie helfen"

Frau mit drei Brüsten operiert
Das unfassbare Schicksal der entstellten Maria. Kölner Ärzte schenkten ihr ein neues Leben


Von UTE GLASER und STEFANIE RICHTER
Maria im Mai 2002: Ihr Gesicht ist entstellt.  
Maria Estrella Samonte. Wie alt sie ist – Maria weiß es nicht genau. Wie man die Welt mit zwei Augen sieht – Maria weiß es nicht. Doch dass sie anders ist als die anderen aus ihrer Ureinwohner-Gemeinschaft irgendwo im Urwald der Philippinen-Insel Luzon, das weiß Maria genau. Und es tut weh…

Denn aus Marias Stirn wuchert eine „dritte Brust“. Ein riesiger, 250 Gramm schwerer Hautsack. Geformt wie eine weibliche Brust, gefüllt mit Gewebe und Hirnwasser. Ein medizinisches Phänomen – doch für Maria eine Bürde.

Direkt nach ihrer Geburt, damals, vor vielleicht 49 Jahren, rannte Marias Vater bei ihrem Anblick aus dem Haus. Als Maria wuchs und damit ihre „dritte Brust“, stellte ihr Vater sie auf Jahrmärkten aus. Gegen Bares. Als die Eltern starben, kam Maria zur Familie ihres Bruders Danilo. Schlief wie die anderen in der Holzhütte auf dem Boden, kochte und putzte. Von Ehemann und Kindern aber konnte Maria nur träumen. Denn wer nimmt schon „so eine“ zur Frau.

Doch Maria hatte riesiges Glück: Im letzten Dezember kam Carmen Rössel-Dapilos zu den Ureinwohnern nach Luzon. Die Krankenschwester aus Bergisch Gladbach organisiert Hilfsprojekte auf den Philippinen, traf zufällig auf Maria. Freundete sich mit ihr an, fotografierte sie. „Die Bilder wollte ich meinem Chef im Krankenhaus zeigen“, sagte sie.

Wieder in Deutschland, gab Carmen Rössel-Dapilos die Fotos Gynäkologie-Professor Dr. Bernhard Liedtke vom Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach.

Sein erster Gedanke: „Das ist eine dritte Brust – kann aber eigentlich keine sein.“ Denn im Kopf gibt‘s keine Milchleiste. Zweite Möglichkeit: ein gutartiger Tumor der Haut. Mehr verrieten die Fotos nicht. Daher der Entschluss: Wir holen sie her. Im Mai stieg Maria, die bis dahin noch nicht einmal in einem Auto gefahren war, in den Flieger. Mit Carmen Rössel-Dapilos flog sie nach Deutschland. Zu ihrem neuen Gesicht …

Maria jetzt: Von ihrem Makel ist nur noch ein Pflaster übrig.  
Doch in Bergisch Gladbach konnten Prof. Liedtke und seine Kollegen nach ersten Untersuchungen nicht viel tun.

Die Kernspin-Tomographie, die im Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach gemacht wurde, ergab den eindeutigen Befund: Es ist eine Meningozele, entstanden durch ein Loch im Schädel. Ein Fall für den Neurochirurgen.

Liedtke kontaktierte Prof. Dr. Jürgen Menzel, Chef der Neurochirurgie im Klinikum Köln-Merheim. Menzel stellte fest: „OP kein Problem. Aber eine technische Herausforderung.“

Mit seinem Kollegen Prof. Dr. Dr. Gerald Spilker, Chef der plastischen Chirurgie Merheim, operierte er Maria am vorletzten Donnerstag 12 Stunden lang – kostenlos! Zuerst wurde Muskelgewebe aus ihrem Bein entnommen, dann der Schädel an der Stirnseite geöffnet. Von innen wurde hinter das Loch zwischen den Stirnbeinen das Beingewebe wie ein „Flicken“ eingesetzt, dann der Hautsack entfernt. Prof. Spilker richtete Marias Augenpartie – ihr rechtes Auge war durch die „Brust“ verdeckt und plattgedrückt.

Als die tapfere Maria aus der Narkose erwacht und sich zum ersten Mal betrachtet, ist sie sprachlos. Erst einige Zeit später begreift sie, lächelt und murmelt: „Wunderschön …“

Jetzt liegt sie auf Station, jeden Tag geht es ihr ein bisschen besser. Wenn Maria im September in ihre Heimat zurückfliegt, wird sie schon ein bisschen schreiben können. Wird wissen, wie man Schuhe trägt und was ein Fernseher ist. Sie wird viel mehr wissen als all die anderen ihres Stammes. Und sie wird dann wirklich eine von ihnen sein – denn ihren Makel, den hat sie in Deutschland gelassen.

Über Marias Geschichte berichtet auch RTL extra (Montag, 8. Juli, 22.15 Uhr).

 

Daran hat Maria gelitten
Zunächst gab Marias „dritte Brust“ Rätsel auf. Erst die Kernspin-Tomographie ergab, dass sie weder an einem Tumor noch an einer Gewebewucherung leidet – sondern an einem Defekt am Schädel. Ihre Stirnbeine sind nicht zusammengewachsen, aus einem „Loch“ (Durchmesser fünf Zentimeter) in ihrer Stirn sackte die Hirnhaut aus.

Dieser Hautsack (Meningozele) war mit Gewebeteilchen und Hirnwasser gefüllt. Wäre auch Hirnmasse darin gewesen, hätte Maria nicht ohne weiteres operiert werden können. Solche Aussackungen kommen mitunter bei Säuglingen vor (am häufigsten am Rücken, ganz selten auf der Stirn). Die sind dann aber winzigklein, werden sofort nach der Geburt entfernt.

Bei Maria, die im Urwald zur Welt kam, ging das nicht, so wuchs die Meningozele mit ihr. Und Maria ist wohl die einzige Frau auf der Welt, bei der sich der Hautsack zufällig in Form einer weiblichen Brust auf der Stirn ausprägte.


So können Sie helfen
Die Ärzte in Merheim operierten Maria kostenlos, doch ihr stationärer Aufenthalt wird durch Spenden finanziert. Auch nach ihrer Rückkehr auf die Philippinen wird Maria Unterstützung für ihr neues, selbstständiges Leben brauchen.

Wenn Sie, liebe Leser, helfen möchten, können Sie an die Philippinen-Hilfe von Carmen Rössel-Dapilos (bekam 2001 das Bundesverdienstkreuz) spenden:

Katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus Bensberg Stichwort: Philippinen Kreissparkasse Köln BLZ: 370 502 99 Konto: 334 001 775

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